WM-Qualifikation Löws Mission gegen tapfere Nordiren

Belfast (dpa) - Mats Hummels bewies sein Faible für britischen Humor. Als ein einheimischer Reporter Weltmeister Deutschland kurzerhand zum „Underdog“ erklärte, weil Nordirlands Fußballer seit vier Jahren kein Pflichtspiel im eigenen Land mehr verloren haben, reagierte er mit einem Lächeln.

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„Die Statistik kannte ich nicht. Dann können wir ja befreit aufspielen. Das Spiel ist für uns also wie eine Pokalrunde gegen einen Bundesligisten“, sagte der Bayern-Verteidiger daraufhin.

Tatsächlich ist natürlich der Weltranglistenerste Deutschland am Donnerstag (20.45 Uhr) im Windsor Park von Belfast der Favorit, auch wenn der Respekt vor den nordirischen Abwehrspezialisten groß ist. „Es ist definitiv so etwas wie ein Finale. Der Erste spielt gegen den Zweiten“, sagte Bundestrainer Joachim Löw im Teamhotel. Der 57-Jährige erwartet, dass die Nordiren mit ihren Fans im Rücken „möglicherweise sogar alles oder nichts spielen“ werden, um vielleicht doch noch im Endspurt Gruppensieger zu werden.

Auch Hummels erwartet „eine knackige Aufgabe“, die aber unbedingt erfolgreich gelöst werden soll. „Für uns geht es um die endgültige Qualifikation für die WM. Die wollen wir hier klarmachen, nicht erst Sonntag“, sagte er mit Blick auf den Qualifikations-Abschluss in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan. Hummels beruhigte auch, was die Verfassung der sechs Bayern-Spieler im DFB-Kader angeht. Alle seien „in einem ganz normalen mentalen und physischen Zustand.“

Löw will trotz der Bayern-Krise sogar auf einen Münchner Block setzen. Denn auch Jérôme Boateng soll nach einem Jahr Länderspielpause auf Anhieb ins Abwehrzentrum zurückkehren. „Jérôme hat mir in einem Gespräch signalisiert, dass er sich gut fühlt. Meine Idee ist, dass er von Anfang an spielt“, berichtete Löw: „Ich habe bei den Bayern-Spielern keine Nervosität oder Anspannung bemerkt.“

Bereits der Empfang in Belfast war für die DFB-Reisegruppe „very british“. Graue Wolken, Regenschauer, böiger Wind und gerade mal zwölf Grad stimmten Löw und seine 22 Spieler auf einen ungemütlichen Fußballabend ein. Leidenschaftliche Fans und ein hochmotivierter Gegner erwarten den Weltmeister. Und die Nationalelf ist nach der jüngsten Totalpleite der deutschen Vereine im Europapokal auch mal wieder gefordert, den Ruf des deutschen Fußball aufzupolieren. „Die Nationalmannschaft agiert auf Weltniveau“, betonte Hummels.

Acht Siege in acht Quali-Spielen haben das unterstrichen. Aber auch wenn in Nordirland schon ein Unentschieden für das WM-Ticket reichen würde, will Löw das absolute Gütesiegel. „Die Mission ist, dass wir alle Spiele gewinnen“, verkündete sein Assistent Thomas Schneider.

Der Nordirland-Spezialist Oliver Bierhoff konnte den 22 deutschen Spielern auf dem von starkem Gegenwind gebremsten Flug von Frankfurt nach Belfast am Mittwoch erzählen, was sie im Stadion erwartet. „Da ist eine gute Stimmung“, sagte Bierhoff. Darauf könne sich jeder freuen. „Aber wir müssen uns auch auf einen harten Kampf einstellen.“

Kein anderer DFB-Akteur hat so oft wie Bierhoff gegen die kantigen Nordiren gespielt (fünfmal). Lächelnd erinnerte der Manager an das 3:1 vor 20 Jahren. Damals war ihm im Windsor Park in sechs Minuten der schnellste Hattrick der deutschen Länderspielgeschichte geglückt. „Es würde mich freuen, wenn wir wieder jemanden dabei haben, der einen Hattrick schießt“, lautet Bierhoffs Wunsch bei der Rückkehr.

Die verletzten Torjäger Timo Werner und Mario Gomez scheiden als Kandidaten für die Bierhoff-Rolle aus. Thomas Müller und Lars Stindl sollen das Toreschießen übernehmen. Nordirlands Abwehrbollwerk der Gegenwart zu knacken, wird die zentrale Aufgabe des DFB-Teams sein.

„Sie haben sieben Mal zu Null gespielt. Sie haben wie wir in der gesamten Qualifikation nur zwei Gegentore bekommen - von uns“, hob Löw hervor. Beim zähen 2:0 vor einem Jahr in Hannover trafen Julian Draxler und der diesmal fehlende Sami Khedira. Bei der EM 2016 quälte sich das DFB-Team auch nur zu einem 1:0. „Die Nordiren sind Vollblutverteidiger aus ganzer Seele“, verdeutlichte Schneider.

Zwei Trainingseinheiten müssen Löw reichen, um die Mannschaft in kürzester Zeit auf den unangenehmen Gegner einzustellen. „Wir haben immer einen Stamm dabei gehabt, der weiß, wo es langgeht. Daher bin ich mir sicher, dass die Einheiten reichen“, sagte Julian Draxler. Die Weltmeister Hummels, Boateng, Kroos, Müller und Draxler bilden das Gerüst. Draxler glaubt, die Erfolgsformel zu kennen: „Wir müssen schnell spielen und unsere Chancen nutzen. Wenn wir frühzeitig auf das 1:0 gehen, werden wir die nötigen Punkte einsammeln.“

Das WM-Ticket würde ihm und seinen Kollegen einen schönen Zahltag bescheren. 20 000 Euro zahlt der DFB pro Spiel und Spieler im Kader bei einer erfolgreichen Qualifikation. Die Torhüter ter Stegen und Bernd Leno sowie Dauerbrenner Joshua Kimmich würden die Maximalsumme von 200 000 Euro kassieren. Insgesamt müsste der DFB vier Millionen Euro an 36 Akteure ausschütten. Löws Assistent Schneider ist fest davon überzeugt, dass es so kommen wird: „Es ist eine schwierige, interessante Aufgabe gegen die Nordiren, die wir aber lösen werden.“