Confed Cup Löws Ziel: Halbfinale ohne Reise

Kasan (dpa) - Nach der von Joachim Löw mit „klasse“ benoteten Reifeprüfung gegen den Titelfavoriten Chile haben der Bundestrainer und seine Turnierfrischlinge in Russland noch richtig viel vor.

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Eine schnelle Halbfinal-Rückkehr nach Kasan, von wo der Weltmeister-Tross am Morgen nach dem 1:1 (1:1) gegen den Südamerikameister wieder nach Sotschi zum entscheidenden letzten Gruppenspiel gegen Kamerun flog, steht freilich nicht auf dem deutschen Wunschzettel.

Löws Ziel lautet, den punktgleichen Tabellenführer Chile am Sonntag (17.00 Uhr) im Fernduell doch noch zu überholen und sich so ein Semifinale ohne weitere Reisestrapazen zu erarbeiten. „Wir wollen natürlich den maximalen Erfolg“, erklärte Lars Stindl, der sich beim Testlauf in Russland mit seinem schon zweiten Turniertor im reifen Alter von 28 Jahren nachhaltig für Löws WM-Mission 2018 empfiehlt.

Bei Punktgleichheit entscheidet die Tordifferenz. Und da sind die starken Chilenen um Bayern-Star Arturo Vidal den Deutschen um einen Treffer voraus. „Es wäre für uns schon erstrebenswert, diese Gruppe zu gewinnen. Dann könnten wir das Halbfinale in Sotschi bestreiten“, betonte Löw. Chile spielt am Sonntag parallel gegen Australien. Im Falle einer ersten Niederlage gegen Kamerun ist aber auch noch ein Vorrunden-K.o. möglich. Ein Remis reicht definitiv zum Weiterkommen.

Am Freitag stand aber zunächst die Regeneration im Vordergrund. „Wir müssen erstmal wieder die Batterie aufladen“, berichtete Abwehrchef Shkodran Mustafi. Löw erwägt wieder Wechsel: „Möglicherweise tut dem ein oder anderen nach zwei Spielen innerhalb weniger Tage eine Pause gut - und die ein oder andere frische Kraft unserem Spiel dann auch.“

Löw will im 150. Länderspiel unbedingt seinen 100. Sieg feiern. Diese DFB-Bestmarke musste gegen die anfangs übermächtigen Chilenen noch vertagt werden. Den erkämpften Punkt bewerteten im deutschen Lager aber alle als Erfolg und weiteren Lernschritt des Perspektivteams. „Es war für uns ein Spiel mit allerhöchsten taktischen Ansprüchen, die wir zu erfüllen hatten. Meine Mannschaft hat das klasse gemacht, mit höchster Disziplin über 90 Minuten“, resümierte Löw zufrieden.

Er wählte ganz bewusst die harte Tour und nahm erstmals in seiner elfjährigen Amtszeit keinen Wechsel in den 90 Minuten vor. „Ich habe von den Spielern eine gewisse Widerstandsfähigkeit und Härte erwartet und verlangt“, begründete Löw. Ein Spiel ohne Wechsel hatte es zuvor letztmals am 6. September 1995 beim 4:1 in der EM-Qualifikation gegen Georgien in Nürnberg unter dem damaligen Bundestrainer Berti Vogts gegeben.

Als Gruppenerster könnte das deutsche Team nicht nur in Sotschi an der Schwarzmeerküste bleiben. Vermutlich würde der Weltmeister im Kampf ums Endspiel auch Europameister Portugal mit Weltfußballer Cristiano Ronaldo aus dem Weg gehen. Allerdings trauen sich Jogis Jungs spätestens nach der auch mit Glück gemeisterten Aufgabe gegen die topbesetzen Chilenen alles zu. „Wir haben die Möglichkeit, weiter eine gute Rolle zu spielen“, sagte Torwart Marc-André ter Stegen.

Gegen die älteste Mannschaft des Turniers meisterte das jüngste Team schließlich eine erste kritische Situation im Turnier. Das frühe 0:1 nach einem Aussetzer von Mustafi, der seinem Arsenal-Kollegen Alexis Sanchez den Treffer quasi auflegte, wurde bravourös weggesteckt. „Der Start war extrem suboptimal. Eine Mannschaft kann an so einem Negativerlebnis auch zerbrechen“, sagte der Schalker Leon Goretzka.

„Wir haben nach dem Gegentor weiter unser Ding gemacht“, meinte Torwart ter Stegen: „Und wir haben eine Antwort gegeben.“ Besonders mit dem Tor von Stindl nach einem Angriff aus dem Lehrbuch über den im Mittelfeld sehr präsenten Emre Can und Flankengeber Jonas Hector.

„Das war ein Paradebeispiel für einen Konter aus einer bedrängten Situation heraus. Das war klasse“, sagte Löw. Der Fokus gegen eine der weltbesten Mannschaften lag ansonsten darauf, gut organisiert zu sein. „Wir mussten einen komplett anderen Fußball spielen“, sagte Goretzka zu den vielen Abwehraufgaben auch der offensiven Akteure.

Gegen Kamerun soll wieder in den Angriffsmodus geschaltet werden. Der Blick ging jedenfalls sofort nach vorne. „Wir wissen, dass noch viel auf dem Spiel steht. Wir haben jetzt ein schwieriges Spiel gegen Kamerun, gegen eine physisch starke Mannschaft“, erklärte Stindl: „Wir wollen Gruppensieger werden. Die Möglichkeit besteht noch.“

Voraussichtliche Aufstellungen:

Deutschland: 1 Trapp (Paris St. Germain/26 Jahre/1 Spiel) - 18 Kimmich (FC Bayern München/22/17), 16 Rüdiger (AS Rom/24/14), 2 Mustafi (FC Arsenal/25/18), 3 Hector (1. FC Köln/27/31) - 20 Brandt (Bayer Leverkusen/21/8), 8 Goretzka (FC Schalke 04/22/7), 7 Draxler (Paris St. Germain/23/32), 15 Younes (Ajax Amsterdam/23/2) - 13 Stindl (Borussia Mönchengladbach/28/4) - 9 Wagner (1899 Hoffenheim/29/3)

Kamerun: 1 Ondoa (FC Sevilla/21/32) - 2 Mabouka (MSK Zilina/29/6), 5 Ngadeu Ngadjui (Slavia Prag/26/15), 4 Teikeu (FC Sochaux/27/15), 19 Fai (Standard Lüttich/24/10) - 3 Zambo Anguissa (Olympique Marseille/21/6), 15 Siani (KV Ostende/30/8), 17 Djoum (Heart of Midlothian/28/10) - 13 Bassogog (Henan Jianye/21/11) 10 Aboubakar (Besiktas Istanbul/25/57), 8 Moukandjo (FC Lorient/28/54)

Schiedsrichter: n.n.