Marco Reus: „Fußball ist nicht alles im Leben“

Jung-Nationalspieler Marco Reus über Borussia Mönchengladbach, Lucien Favre, Joachim Löw und seine Ziele.

Düsseldorf. Bei Borussia Mönchengladbach gilt er als Star der Mannschaft, in der Nationalmannschaft ist Marco Reus (noch) der Joker. Selbst sieht sich der sympathische junge Mann weder als Star noch als Joker. „Konkurrenzkampf ist eine Selbstverständlichkeit, nur das bringt uns weiter. Aber ich stehe nicht so gerne in der Öffentlichkeit, ich suche sie auch nicht“, sagt Marco Reus im Interview mit unserer Zeitung.

Marco Reus, wenn man in der 90. Minute eingewechselt wird. Ist das eher Freude oder Frust?

Marco Reus: Es ist auf jeden Fall nicht enttäuschend. Es war immer ein Kindheitstraum von mir, in der Nationalmannschaft zu spielen. Und der ist in Erfüllung gegangen.

Bei der Borussia gelten Sie als Star, bei der Nationalmannschaft sind Sie ein Newcomer. Ist das ein Problem?

Reus: Überhaupt nicht. Ich fühle mich in Mönchengladbach ja auch nicht als Star. ich bin kein Star. Ich bin einer von vielen, ohne meine Jungs bei der Borussia bin ich gar nichts. Ich sehe mich auch nicht als Einzelperson, sondern als Bestandteil einer Mannschaft.

Ihr Marktwert hat sich versechsfacht.

Reus: Ich achte nicht so sehr auf meinen Marktwert. Ich möchte gut Fußball spielen. So gut, dass ich möglichst oft von Bundestrainer Joachim Löw nominiert werde.

Was unterscheidet Joachim Löw von Lucien Favre?

Reus: Zunächst einmal ist Lucien Favre ein sensationeller Trainer. Wir haben unglaublich viel bei ihm gelernt, er redet viel mit uns, er hat uns weitergebracht, jeden einzelnen Spieler. Bei Joachim Löw ist es nicht anders. Wir trainieren auf höchsten Niveau bei der Nationalmannschaft, Joachim Löw arbeitet sehr akribisch, sehr intensiv. Wir haben ein hohes Ziel, wir wollen Europameister werden. Es ist vollkommen normal, dass der Bundestrainer das Optimum fordert.

Wie kommen Sie mit dem Konkurrenzkampf klar?

Reus: Konkurrenzkampf ist eine Selbstverständlichkeit, nur das bringt uns weiter.

Wie sind Sie von den Kollegen aufgenommen worden?

Reus: Kein Problem, es ist alles sehr locker und cool bei der Nationalmannschaft. Außerdem haben mir Mario Götze und André Schürrle sehr geholfen.

Als Nationalspieler stehen Sie im Mittelpunkt. Immer. Haben Sie sich das immer gewünscht?

Reus: Keineswegs. Ich stehe nicht so gerne in der Öffentlichkeit, ich suche sie auch nicht. Ich mag es auch nicht, wenn ich auf der Straße erkannt werde, auch wenn ich weiß, dass uns die Fans bewundern. Das ändert aber nichts daran, dass ich ein sehr zurückhaltender Mensch bin.

Darf ein Nationalspieler Schwäche zeigen?

Reus: Wenn man eine schlechte Phase hat, muss man das ja auch nicht noch öffentlich heraus posaunen. Ich wünsche mir, dass die Leute nicht nur den Fußballer sehen, sondern auch den Menschen. Wir sind keine Maschinen.

Hat das Bekenntnis von Ralf Rangnick etwas bewegt?

Reus: Als Robert Enke starb, haben wir uns alle vorgenommen, enger zusammenzurücken, mehr aufeinander aufzupassen. Geändert hat sich seitdem aber nicht viel. Ich denke mit großem Respekt an Ralf Rangnick. Und ich glaube, dass sich jetzt etwas bewegt. Der Fußball ist wichtig für uns, aber der Fußball ist auch nicht alles im Leben.

Haben Sie ein Vorbild?

Reus: Ja, das ist Tomas Rosicky. Ich habe ihn bewundert damals, als er in Dortmund gespielt hat. Seine Spielweise, diese Leichtigkeit und seine Übersicht, das hat mich schwer beeindruckt.

Wie empfinden Sie die Atmosphäre bei der Nationalmannschaft, wie reagieren Sie auf das Umfeld?

Reus: In der Nationalmannschaft spielen die Besten der Besten, die Qualität kann nirgends höher sein. Aber nur so kann sich jeder Spieler verbessern.

Der Sportdirektor des FC Bayern München schwärmt von Ihnen.

Reus: Das ehrt mich, Bayern ist der beste Klub in Deutschland, aber ich bin Profi bei der Borussia. Und ich bin es gerne.

Ist man ein besserer Nationalspieler, wenn man den Abstiegskampf durchgestanden hat?

Reus: Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass ich niemals soviel Druck hatte wie in der Relegation. Das Gefühl, es dann wirklich geschafft zu haben, ist unbeschreiblich. Das hatte viel mit dem Kopf und der Psyche zu tun.

Und wie lauten die aktuellen Ziele mit der Borussia, wie sind die Chancen?

Reus: Das ist momentan noch schwer zu sagen, aber die nächsten drei, vier Spiele sind richtungweisend.