Mertesackers Tor-Explosion: „Das hat keiner vermutet“
London (dpa) - Kein Zauberfuß wie Götze oder Reus schrieb das letzte Kapitel der Länderspielgeschichte 2013, sondern ein tapferer Fußball-Kämpfer. Und auch das entscheidende 1:0 im Wembleystadion fiel nicht nach einer Tiki-Taka-Kombination.
Per Mertesacker wuchtete den Ball nach einer Flanke von Toni Kroos erbarmungslos per Kopf ins Tor der Engländer, quasi ein bisschen altdeutsch. „Klar ist man da glücklich“, sagte der 1,98 Meter große Abwehrhüne des FC Arsenal zu seinem Siegtreffer in der Wahlheimat London. Mit Genuss beschrieb er sein viertes Tor für Deutschland im 95. Länderspiel - nachdem er kurz zuvor aus ähnlicher Position noch an Keeper Joe Hart gescheitert war: „Ich war so überrascht, dass ich beim ersten Mal so freistand. Da habe ich einen Antritt hingelegt, das hat keiner von mir vermutet.“
Ein Zufall war es nicht, dass Abwehrmann Mertesacker auch eine B-Elf wieder zu einem Sieg im englischen Fußballtempel Wembley führte. Erstens hat der gebürtige Hannoveraner im DFB-Team „zuletzt hervorragend gespielt“, wie Bundestrainer Joachim Löw befand. Zweitens war laut Abwehrchef Mertesacker selbst die zuvor oft gescholtene Defensive zuletzt immer „der Kern“ des deutschen Spiels. Und schließlich sei es derzeit „eine außergewöhnliche Situation, viele gute Spieler zu haben“, betonte der Matchwinner.
Nach einer auch ganz persönlich frustrierenden EM 2012, die Mertesacker in Polen und der Ukraine auf der Ersatzbank erlebt hatte, ist der 29-Jährige wieder eine feste Größe. Im Länderspieljahr hat er von allen deutschen Akteuren die meisten Spiele absolviert (10 wie auch André Schürrle), stand am längsten auf dem Platz (810 der maximal möglichen 1080 Spielminuten wie Kapitän Philipp Lahm).
„Er hat sich in England noch einmal nach vorne entwickelt, was Koordination betrifft, Wendigkeit, Beweglichkeit und auch das Passspiel“, urteilte Löw. „Er organisiert die Mannschaft, gibt der Abwehr Stabilität, steht in der Defensive immer am richtigen Platz.“
Mertesacker will als Führungskraft bei der WM in Brasilien mit für ein Auswärtsmärchen sorgen. „Wir haben viele gute Spieler zur Verfügung. Das könnte den Unterschied ausmachen“, sagte er.
Dass er nach seiner Tor-Explosion gegen die Engländer nun erstmal beim FC Arsenal zum König in der Kabine werden könnte, berührte ihn eher weniger. „Keine Ahnung. Da habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Erst einmal habe ich einen Tag frei. Man hat jetzt gute Argumente, aber wie lange? Zwei, drei Tage.“ Dann muss er sich schon wieder in England neu beweisen.