Özil-Schock fordert Löw vor Polen-Spiel
Frankfurt/Main (dpa) - Großes Pech für Mesut Özil! Die schwere Knieverletzung des Mittelfeldzauberers hat die Personalsituation für Bundestrainer Joachim Löw vor dem wichtigen Doppelpack in der EM-Qualifikation weiter verschärft.
Özil muss wegen eines Teilrisses des Außenbandes im linken Knie zehn bis zwölf Wochen pausieren und fällt damit nicht nur für die Partien der Fußball-Nationalmannschaft am Samstag in Polen und drei Tage später in seinem Geburtsort Gelsenkirchen gegen Irland aus. Der Arsenal-Star wird in diesem Jahr nicht mehr zum Einsatz kommen können.
Bei der Rückkehr an den Ort seiner schlimmsten Niederlage muss Weltmeister-Trainer Löw plötzlich ein noch größeres Personalpuzzle lösen. Özil war wegen Schmerzen im linken Knie zu einer Kernspinuntersuchung nach München gereist und reihte sich vor dem wichtigen EM-Qualifikationsspiel in Polen in die Liste der verletzten WM-Helden ein.
André Schürrle blieb auch am Mittwoch zu individuellen Einheiten im Hotel und kann bestenfalls am Donnerstag bei einem Geheimtraining wieder gemeinsam mit den Kollegen üben. Immerhin meldete sich der grippekranke Schalker Julian Draxler für das Duell im Nationalstadion von Warschau wieder gesund.
Löw hatte am zweiten Vorbereitungstag nur 14 fitte Feldspieler und drei Torhüter im Training. Über eine mögliche Nachnominierung sollte noch befunden werden. Teammanager Oliver Bierhoff merkte jedoch an: „Der Jogi ist kein Trainer, der gerne nachnominiert.“ Gedanken an das schmerzhafte EM-Aus 2012 in Warschau gegen Italien (1:2) - der bislang letzten Pflichtspielniederlage der DFB-Auswahl - kommen nicht mehr auf. „Das ist vergessen. Das spielt keine Rolle mehr. Es hat natürlich genagt. Deswegen hat man Ballast abgeworfen, indem man Weltmeister geworden ist“, sagte Bierhoff.
Für Löw zählt nur das Hier und Jetzt. Gerade im Mittelfeld muss er angesichts des Özil-Ausfalls wieder einmal improvisieren. Verletzt fehlen in Polen und drei Tage später gegen Irland ohnehin die Weltmeister Bastian Schweinsteiger, Benedikt Höwedes und Sami Khedira sowie Marco Reus und Mario Gomez.
Wie sehr besonders Spielführer Schweinsteiger vermisst wird, machten Bierhoff und auch Ersatz-Kapitän Manuel Neuer deutlich. „Ihm geht es nicht so gut, weil er nicht fit ist. Wir freuen uns alle, wenn er zurückkommt“, sagte Neuer. Mit einem Länderspiel-Comeback Schweinsteigers ist in diesem Jahr allerdings wegen dessen Problemen mit der Patellasehne nicht mehr zu rechnen. „Eine klare Prognose gibt es nicht. Wir warten einfach ab“, sagte Bierhoff.
Im Training rückte Lukas Podolski auf die linke Mittelfeldseite. Bei einer Übungsform agierte er mit Thomas Müller, Christoph Kramer und Toni Kroos in einer Viererkette. Gesucht wird allerdings ein weiterer Mittelfeldmann - sofern Mario Götze wie erwartet davor als Spitze agiert. Kandidaten wären der gerade genesene Draxler oder der Hoffenheimer Sebastian Rudy als defensive Variante. Karim Bellarabi dürfte als Neuling kaum in der Startelf stehen.
An der sportlichen Zielsetzung ließ Kroos keine Zweifel aufkommen. „Im Oktober geht es darum, genügend Punkte zu holen. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen“, sagte der Neu-Spanier. Auch Bierhoff verdeutlichte den Anspruch: „Ziel ist es, erfolgreich den Oktober zu gestalten, mit zwei Siegen. Das kann man so offen sagen.“
Die Diskussion um eine Überbelastung der deutschen Fußballprofis durch die Nationalmannschaft nervt Bierhoff. „Es geht mir auf den Keks, dass oberflächlich und undifferenziert diskutiert wird. Dass die Spieler durch die Nationalmannschaft so hoch belastet sind, kann ich überhaupt nicht akzeptieren“, erklärte der DFB-Teammanager. Auch Özil reiste bereits verletzt aus London an - wie der DFB in seiner ersten Mitteilung besonders hervorhob. „Verletzt angereist: Özil fällt 10-12 Wochen aus. Diagnose: Teilruptur des Außenbandes des linken Kniegelenkes. Gute Besserung, Mesut!“, twitterte Pressesprecher Jens Grittner.
Die Personallage ist für Löw ein Top-Thema im Herbst 2014. In einem am Mittwoch veröffentlichten FIFA-Interview sprach er über die generelle Situation. „Auf einigen Positionen haben wir schon auch Probleme. „Wie Sand am Meer“, wie oft zu hören ist, gibt es auch bei uns keine Weltklasse-Spieler. Aber wir haben einige außergewöhnliche Talente, das stimmt schon“, sagte Löw.
„Nach einer WM, die kräfteraubend für alle Spieler ist, gibt es immer mal Situationen, bei denen Spieler kurzfristig ausfallen, weil sie sich verletzen. Von daher bin ich nun in den Monaten Oktober und November auf Wechsel eingestellt“, sagte Löw. Dennoch hatte er überraschend nur 20 statt 23 Akteure in sein mittlerweile reduziertes Aufgebot berufen.
Einen Weltmeister-Bonus kann Löw in der EM-Qualifikation nicht erkennen. „Sagen wir mal so: So schön der Titel ist und so viel er einem gibt, nun beginnen wir wieder bei Null.“