Erdogan-Affäre Zick-Zack-Kurs: Bierhoff irritiert mit Özil-Aussagen

Berlin (dpa) - Mit dieser Medien-Offensive hat Oliver Bierhoff ein Eigentor geschossen und den Start der von ihm versprochenen Aufarbeitung des deutschen WM-Desasters erstmal verpatzt.

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Mit einem irritierenden Schlingerkurs hat der DFB-Teammanager nicht nur der emotionalen Debatte um die Zukunft von Mesut Özil in der Fußball-Nationalmannschaft neue Brisanz verliehen. Trotz verbaler Rolle rückwärts und einer Entschuldigung im TV machte Bierhoff drei Tage nach Versprechen von ihm und Bundestrainer Joachim Löw zu einer schonungslosen WM-Analyse keine gute Figur.

Wenige Stunden nach der Veröffentlichung heikler Aussagen zur Rolle Özils beim WM-Debakel ruderte Bierhoff wieder zurück und sprach von einem Missverständnis und falschen Interpretationen. „Es tut mir leid, dass ich mich da offenbar falsch ausgedrückt habe und diese Aussagen missinterpretiert werden. Sie bedeuten in keinem Fall, dass es im Nachhinein falsch gewesen sei, Mesut mitzunehmen“, sagte Bierhoff der „Bild“-Zeitung.

Kurz darauf wiederholte er im ZDF diese Haltung und gestand auch deutlich eigene Versäumnisse beim krachend gescheiterten Unternehmen Titelverteidigung ein. „Ich sehe es auch so, dass wir Teil des Problems sind. Ich hoffe, das ist richtig rübergekommen. Deswegen habe ich gesagt, wir müssen erst bei uns anfangen.“

Angefangen hatte Bierhoff zunächst mit seiner Aussage zu Özil in einem ausführlichen Gespräch mit der Zeitung „Die Welt“. Diese lasen sich so, als sei bei Özil zumindest ein Teil der Schuld für das WM-Aus des deutschen Teams zu suchen. „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet“, sagt Bierhoff dort.

Özils Zukunft in der Nationalmannschaft schien durch das Nachtreten von Bierhoff, mit dem er die WM-Nominierung des Weltmeisters nachträglich infrage stellte, ungewisser denn je. Özil als WM-Sündenbock? Zumindest befeuerten die Sätze des Managers die vergiftete Debatte um die Konsequenzen aus der Erdogan-Affäre aufs Neue. Für den wegen der Fotos mit dem türkischen Präsidenten heftig kritisierten Özil scheint ein Neuanfang in der Nationalelf ohnehin schwierig. Nach dieser Verbalspitze wäre eine Nominierung für die ersten Länderspiele gegen Frankreich (6. September) und Peru (9. September) praktisch unmöglich gewesen.

Doch dann korrigierte sich Bierhoff. „Was ich sage ist, dass wir im Vorfeld der WM vor der Frage standen, ob er aus sportlichen Gründen mitfährt. Wir haben uns bewusst für ihn entschieden. Und dazu stehen wir auch. Wir werden in unserer Analyse natürlich auch mit Mesut über dieses Thema sprechen.“ Ein Ende der DFB-Karriere Özils habe er nicht implizieren wollen. „Ich kann nur wiederholen, ich habe mich da missverständlich ausgedrückt. Aber klar ist, Mesut wird auch in Zukunft genauso sportlich beurteilt wie jeder andere Spieler auch“, sagte Bierhoff.

Im ZDF-Interview wirkte Bierhoff zunächst defensiv. Verteidigte sich dann aber gegen TV-Experte Oliver Kahn auch vehement gegen den Vorwurf der falschen Personalpolitik und generell gegen den der Entfremdung von den Fans. Man habe nicht mehr Werbeaktionen gehabt als vor der erfolgreichen WM 2014.

Durch den Zick-Zack-Kurs zur Personalie Özil sieht sich DFB-Direktor Bierhoff nach dem nächsten Kapitel verunglückter Krisenkommunikation erneut mit unbequemen Fragen nach seiner Rolle konfrontiert. Unklar bleibt: Was meint der 50-Jährige denn nun wirklich? Unstrittig ist, dass Özils anhaltendes öffentliches Schweigen den Wirbel um die Bilder mit Erdogan verstärkte und dies auch die Mannschaft bei der WM beschäftigte. Anders als Teamkollege Ilkay Gündogan, der sich zumindest einigen ausgewählten Journalisten erklärte, erschien der 29-Jährige auch nicht zum Medientag der Mannschaft vor der WM.

Aber auch der Umgang des Deutschen Fußball-Bundes und der Sportlichen Leitung mit dem hochbrisanten Thema, das weit über den Fußball hinaus reicht, misslingt weiter gründlich. Die Chance zu einer Aktion wie der von Schwedens WM-Team, das nach den Attacken gegen den türkischstämmigen Nationalspieler Jimmy Durmaz geschlossen ein Zeichen gegen Rassismus setzte, ließ der DFB verstreichen. Bierhoff selbst versuchte mehrfach, die Debatte für beendet zu erklären und betonte noch kurz vor der Abreise nach Russland: „Was ich den beiden Spielern sage, ist, hakt es ab.“

Özil selbst hatte sich nach der WM-Blamage alles offen gelassen. Am Freitag warb er über die sozialen Netzwerke für den Kauf seines neues Arsenal-Trikots mit der Nummer 10 im Fanshop der Gunners. Vor ein paar Tagen hatte er an gleicher Stelle zu seiner WM-Enttäuschung noch mitgeteilt: „Ich werde einige Zeit brauchen, um darüber hinweg zu kommen.“ Seine Botschaft versah er mit dem Hashtag „SayNoToRacism“ (Sag Nein zu Rassismus).

Zumindest dies ein kleiner Hinweis auf die brandgefährliche Debatte, die seit Wochen auch die entfesselten Internet-Stammtische zum Kochen bringt. „Ohne Özil hätten wir gewonnen!“, twitterte der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier und war damit nicht allein. Dass Özil beim 0:2 gegen Südkorea, das letztlich das WM-Aus besiegelte, nicht nur statistisch zu den besten deutschen Spielern gehörte und fast alle guten Offensiv-Aktionen von ihm ausgingen, wird von dessen Kritikern komplett ignoriert.

Irritierend wirken Bierhoffs Sätze auch vor dem Hintergrund der von ihm verantworteten Marketing-Kampagne um die DFB-Auswahl. Unter dem Hashtag „#zsmmn“ sollte sich die Nationalmannschaft als Einheit präsentieren. Bierhoffs öffentliches Abrücken von Özil passt da nicht recht ins gewünschte Bild - und brachte dem Ex-Profi harsche Kritik in den Kommentarspalten ein. Erfolgte deshalb die Relativierung?

Ohnehin ist nicht etwa der von seinem Weltmeister-Weg weit abgekommene Trainer Löw von vielen als böser Bube bei der krachend verpatzten WM-Mission ausgemacht worden, sondern Bierhoff. Die Wahl des ungeliebten WM-Quartiers im grauen Watutinki, die kühle Markenstrategie um das Team, die spürbare Entfremdung von den Fans - der beim DFB zuletzt zu einer Art Superminister beförderte Bierhoff muss plötzlich eine Reihe von Pannen verantworten. Dazu gehört nun auch seine Interview-Offensive, wie Bierhoff selbst gestand. Hätte er gewusst, welche Reaktionen er auslöse, hätte er „besser gar nix gesagt“, gestand er im ZDF.