Özil wählt den Gomez-Weg - Löw will für WM profitieren

München (dpa) - Am Tag nach seinem spektakulären Wechsel mied Mesut Özil die Öffentlichkeit. Der nun teuerste deutsche Fußballer erschien am Dienstag in München nicht bei der Pressekonferenz der Nationalelf.

Stattdessen äußerte er sich nur in einem Video auf der Internetplattform des Verbandes zu dem 50-Millionen-Euro-Transfer von Real Madrid zum FC Arsenal. „Ich freue mich sehr, sehr drauf“, sagte Özil zu der neuen Aufgabe, die für ihn kein sportlicher Abstieg sein soll, sondern eine „Weiterentwicklung“ als Profi.

Neben der Freude auf die Nationalelf-Kollegen Lukas Podolski und Per Mertesacker erhofft sich der 24-Jährige beim Premier-League-Club in London wieder das, was er nach drei schönen und erfolgreichen Jahren bei Real Madrid in den letzten Tagen nicht mehr gespürt hatte: „Vertrauen“ seitens des Clubs und seitens des neuen Trainers Carlo Ancelotti. Bei Arsenal-Coach Arsène Wenger sei das nach einem „sehr langen“ Telefonat mit dem Deutsch sprechenden Franzosen gleich anders gewesen. „Er hat mir seine Vorstellungen gesagt und er vertraut mir - und das brauche ich auch als Spieler“, sagte Özil.

Einer kritischen Fragerunde der Medien ging Özil aus dem Weg. Seinen Part mussten Teammanager Oliver Bierhoff und Özils bisheriger Vereinskollege Sami Khedira übernehmen. Dabei kamen zwei zentrale Dinge heraus: Özils Flucht aus Madrid war keine abrupte Nacht-und-Nebel-Aktion. Und Bundestrainer Joachim Löw hat den Wechsel nicht nur unterstützt, sondern begrüßt ihn gerade in der WM-Saison.

Khedira verriet, dass er frühzeitig in den Transfer eingeweiht gewesen war. „Für mich war das nicht so überraschend. Ich habe zwei, drei Tage vorher davon mitbekommen von Mesut“, erzählte der Mittelfeldspieler. Persönlich bedaure er den vorzeitigen Abschied von Özil von den „Königlichen“, bei denen der gebürtige Gelsenkirchener noch einen Vertrag bis 2016 besaß. „Wir sind sehr gute Freunde.“ Auch aus sportlichen Gründen könne Özil „ein Verlust“ für Real sein, ergänzte Khedira. Es sei am Ende „die persönliche Entscheidung von Mesut“ gewesen, zu gehen.

Bei Arsenal heuert Özil als Topverdiener mit einem geschätzten Jahresgehalt zwischen sieben und zehn Millionen Euro an. Umgerechnet rund 50 Millionen Euro hat Arsenal zudem noch nie für einen Spieler ausgegeben. Bei Real ist 100-Millionen-Mann Gareth Bale die neue große Nummer neben Cristiano Ronaldo, Özil war einer unter vielen weiteren Stars. „Bei Arsenal wird Mesut noch mehr im Rampenlicht stehen und reifen“, bemerkte Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff.

Er sieht in dem Wechsel absolut keinen Abstieg des 47-maligen Nationalspielers, obwohl die internationale Strahlkraft von Real glänzender sei als die von Arsenal. „Ich freue mich, dass Mesut so einen tollen Verein gefunden hat. In der sportlichen Entwicklung ist es der richtige Schritt“, erklärte Bierhoff. Gerade unter Wenger werde der ausgewiesener Techniker weitere Fortschritte machen.

Die Sportliche Leitung um Bundestrainer Löw habe Özil „unterstützt, diese Aktion durchzuziehen“, auch aus egoistischen Motiven. „Gerade im WM-Jahr“ sei es für einen Spieler sehr wichtig, in einer Mannschaft gesetzt zu sein, erläuterte Bierhoff: „Mesuts Freude ist groß, bei einem Verein zu spielen, der ihn unbedingt wollte, und bei einem Trainer zu sein, der von ihm überzeugt ist.“

Der ehemalige DFB-Kapitän verwies auch auf das Beispiel von Torjäger Mario Gomez, der ebenfalls den sportlichen Abstieg vom Champions-League-Sieger Bayern München zum AC Florenz gewählt habe. „Mario Gomez und Mesut Özil wollen nicht das Risiko eingehen, im WM-Jahr nicht zu spielen. Sie haben in Kauf genommen, den Verein zu wechseln“, meinte Bierhoff.

Arsenal muss aber noch eine Woche auf Özil warten. Zunächst soll der 24-Jährige Deutschland in den Qualifikationsspielen am Freitag in München gegen Österreich und anschließend auf den Färöer Inseln zur Weltmeisterschaft nach Brasilien führen. „Jetzt ist der Zeitpunkt, die Nationalmannschaft im Kopf zu haben“, mahnte Bierhoff.

Ein wenig Wehmut ließ Özil nach turbulenten Tagen mit dem bevorstehenden Umzug von Madrid nach London in einer Botschaft an die Real-Fans doch erkennen. In Deutsch, Spanisch, Englisch und Türkisch postete er bei Facebook und Twitter: „liebe real madrid fans, vielen dank für drei wundervolle jahre mit euch. die Zeit hier war einzigartig für mich.“