Pelés legitimer Kronprinz

Auf Neymar lasten die großen Hoffnungen Brasiliens. Im Sommer wagt er den Schritt nach Europa zu Barcelona.

Düsseldorf. Er ist schmächtig. 174 Zentimeter bei nur 60 Kilogramm. Sein Kopf mit der ebenso markanten wie modischen Frisur sitzt auf schmalen Schultern. Doch Neymar da Silva Santos Junior wirkt in diesen Tagen größer denn je. Fast mühelos scheint der Brasilianer die hohen Erwartungen seines fußballverrückten Volkes stemmen zu können.

Der 21-Jährige ist mehr als nur der Superstar der Seleção. Er trägt Brasiliens Hoffnung, verkörpert all das, von dem die Fans träumen: Spielwitz, Torgefahr, die Fähigkeit, das Außergewöhnliche geschehen zu lassen. Neymar ist Brasilien. Brasilien ist Neymar. Er ist Peles legitimer Kronprinz. Die ganze Nation huldigt ihm, viele Fans sind weiblich und werden „Neymarzettes“ genannt. Auch am Mittwoch (21 Uhr/ZDF) im Halbfinale beim Confed-Cup gegen Uruguay ruhen alle Hoffnungen auf Neymar.

Seine Leistungen beim Confed-Cup sind außergewöhnlich. Drei Spiele, drei Siege, drei Tore von Neymar, dem überragenden Spieler des Turniers bislang. Der Mann mit der prestigeträchtigen Nummer 10 steht für das von den Fans geforderte „Jogo bonito“, das schöne Spiel, das Erfolgstrainer Luiz Felipe Scolari (64) seinem Musterschüler eigentlich abgewöhnen möchte. Doch der Jungstar schafft es, diesen als unerfolgreich in Verruf gekommenen Spielstil, auf eine bemerkenswert erfolgreiche Art und Weise zu neuem Leben zu erwecken.

Der Trainer steht bedingungslos zu seinem Starspieler, es ist eine Art Vater-Sohn-Beziehung. Scolari stattete Neymar nach seinem Amtsantritt im vergangenen November mit einer Einsatzgarantie aus, hielt an ihm nach schwachen Leistungen fest. Auch als der Dribbelkönig mehr als 800 Minuten ohne Tor geblieben war. Jetzt dankt er es Scolari auf seine Art.

„Er ist ein Spieler, von dem alle in Brasilien wissen, dass er einer der drei Besten der Welt werden kann“, sagt Scolari, der Neymar auf Augenhöhe mit Lionel Messi (26) und Cristiano Ronaldo (28) sieht. Einen jungen Mann, der in den Straßen von São Paulo das Kicken gelernt hat. Seine außergewöhnliche Technik, heißt es, verdanke er dem Spielen auf abschüssigen Straßen. Neymars Ausnahmetalent blieb nicht lange unbemerkt. Mit elf Jahren galt er schon als „Juwel“ beim FC Santos. Mit 18 debütierte er in Reihen der Seleção. Mit gerade einmal 21 Jahren wechselt er gerade für 57 Millionen Euro zum FC Barcelona. Kein Wunder, dass er bei den Spaniern als Hoffnungsträger schlechthin gilt.

An der Seite von Messi — sofern der Argentinier wegen angeblicher Steuervergehen nicht ins Gefängnis muss — soll Neymar die Katalanen zurück an Europas Spitze führen. Brasiliens Fußball-Idol Pelé stärkt seinen Landsmann: „Bevor Messi besser sein will als ich, muss er erst mal besser werden als Neymar — und das ist er bisher nicht.“ Der geniale Rechtsfuß aus Brasilien mit dem filigranen Linksfuß aus Argentinien. Für die Verwirklichung dieses Wunsches hat Barcelona viel möglich gemacht.

Neymars Familie zieht mit nach Europa um. Seine besten Freunde werden auf Kosten des Vereins in festgelegten Abständen eingeflogen. Das Gehalt ist fürstlich. Die Ausstiegsklausel liegt bei aberwitzigen 100 Millionen Euro. Einen Fünfjahresvertrag hat Neymar unterschrieben. Alle glauben an eine glänzende Zukunft in Barcelona — außer Johann Cruyff, der nicht an ein erfolgreiches Zusammenwirken der beiden Superstar glaubt. „Weil Neymar in der Mannschaft ist, hätte ich überlegt, Messi zu verkaufen“, sagte die Barça-Ikone.

“ Brasilien - Uruguay Mittwoch, 21 Uhr/ZDF