Pieth-Kritik sorgt weiter für Wirbel - Schenk-Kritik
Frankfurt/Main (dpa) - Der verbale Rundumschlag von FIFA-Reformer Mark Pieth stößt nicht nur den attackierten Fußball-Funktionären bitter auf - jetzt bekommt der Schweizer Top-Jurist auch Gegenwind von Anti-Korruptionsexperten.
„Er distanziert sich ja von sich selbst und disqualifiziert sich damit“, sagte Sylvia Schenk als Vorstandsmitglied von Transparency International der Deutschen Presse-Agentur. Die Reform des skandalumwitterten Weltverbandes droht gut drei Monate vor der finalen Abstimmung beim FIFA-Kongress auf Mauritius durch einen harten Interessenskampf der kontinentalen Führungskräfte zerrieben zu werden.
Laut Schenk hat auch Pieth als Vorsitzender der FIFA-Kommission für Good Governance erkannt, dass eine umfassende Veränderung mit den agierenden Akteuren nur schwer zu machen ist. „Er hat jetzt gemerkt, dass er benutzt wird.“ Die Juristin und langjährige Sportfunktionarin aus Frankfurt/Main sieht die Reformansätze beim Fußball-Weltverband mehr als kritisch. „So lange die FIFA nicht ihre Altlasten aufräumt, so lange kann eine Reform nicht gelingen“, sagte Schenk.
Die 60-Jährige sprach dabei auch die Verstrickungen des einstigen Marketing-Unternehmens ISL mit FIFA-Präsident Jospeh Blatter und die Vorkommnisse um den inzwischen lebenslang gesperrten Spitzenmann Mohamed Bin Hammam aus Katar an.
Der Schweizer Topjurist Pieth hatte in mehreren Interviews die Fußball-Funktionäre von FIFA und UEFA beschuldigt, die Erneuerung im Weltverband massiv zu behindern. Die FIFA reagierte auf die mediale Offensive ihres obersten Anstands-Kontrolleurs überrascht. „Wir nehmen die Aussagen von Prof. Pieth mit Erstaunen zur Kenntnis und werden zum gegebenen Zeitpunkt Stellungen nehmen“, hieß es am Mittwoch. Dass am Freitag ein neuer Bericht der Pieth-Kommission für Good Governance in der FIFA-Zentrale eingehen soll, wurde nicht bestätigt.
Präsident Joseph Blatter ist derzeit auf Sechs-Tage-Tour in Afrika. Vielleicht kamen dem FIFA-Boss manche Aussagen Pieths auch nicht ungelegen. Gerade die Hau-Drauf-Aktion gegen die vermeintlichen Blockierer der Europäischen Fußball-Union um deren Präsidenten Michel Platini dürften dem FIFA-Boss sogar gefallen haben. Da die Reform nicht in Gänze durchsetzbar zu sein scheint, will am Ende keiner der Buhmann sein. Blatter nicht - und auch Pieth nicht. Das hat ihn wohl zu seinem Vorstoß motiviert, will der renommierte Professor doch im Sommer nicht als Papiertiger oder FIFA-Feigenblatt dastehen. Schenk spricht von einem „Schwarzer-Peter-Politik-Spiel“.
Im Kern geht es bei den Reformen um eine Integritätsprüfung für FIFA-Funktionäre und die Beschränkung der Amtszeit für Präsident und Exko-Mitglieder. Hier blieb die UEFA mit ihren Beschlüssen noch hinter den FIFA-Vorschlägen zurück, was Pieth erboste. „Da ist es sehr, sehr suboptimal, dass jetzt ausgerechnet die Vertreter Europas sagen: Wir brauchen gar keine Reform!“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Wegweisende Entscheidungen werden nun von einem Spitzenmeeting der Generalsekretäre der sechs FIFA-Konföderationen mit dem deutschen Exekutivkomitee-Mitglied Theo Zwanziger am 26. Februar in Zürich erwartet. „Ich sehe dem Treffen optimistisch entgegen“, sagte Zwanziger. Der ehemalige DFB-Präsident ist mittlerweile ein Meister der internationalen Fußball-Diplomatie und weiß, dass im Wettstreit der Interessen nicht jede Forderung durchsetzbar sein wird. Es geht um größtmöglichen Konsens und Glaubwürdigkeit.
Festgezurrt werden die Beschlüsse letztlich von der FIFA-Exekutive bei deren Sitzung im März. Kaum vorstellbar scheint, dass ein nationaler Verband von seinem Recht Gebrauch macht und noch beim Kongress am 31. Mai auf Mauritius revolutionäre Anträge stellt. Bis dahin muss sich auch Rechtsprofessor Pieth überlegen, ob er seine Aufgabe in der Good-Governance-Gruppe der FIFA weiterführen will.