Schicksalstag für Niersbach - Schweigen zu brisanter Notiz

Frankfurt/Main (dpa) - Vor dem Schicksalstag in der DFB-Zentrale scheute Wolfgang Niersbach das große Rampenlicht. Statt beim Sportpresseball über den Roten Teppich zu laufen, suchte der schwer angeschlagene DFB-Präsident Ablenkung auf der Mainzer Bundesliga-Tribüne.

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So entging Niersbach vorerst den quälenden Fragen zur WM-Affäre - am Montag steht er bei der außerordentlichen Präsidiumssitzung und dem ebenfalls brisanten Treffen mit den Chefs der Amateurverbände aber umso mehr unter Erklärungsdruck.

Nachdem die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt und „Der Spiegel“ erstmals ein Dokument mit mutmaßlich seinen handschriftlichen Notizen von 2004 veröffentlicht hat, muss sich Niersbach offenbaren. „Wir kommentieren dies nicht“, hieß es vom Deutschen Fußball-Bund am Wochenende zu dem Dokument auf Anfrage.

Sollte die Notiz tatsächlich von Niersbach stammen, wäre endgültig belegt, dass der DFB-Präsident nicht wie von ihm behauptet erst diesen Sommer von dem dubiosen Geldfluss vor der WM 2006 erfahren hat. Niersbach beteuert, in die Absprachen einer Rückzahlung der Summe von 6,7 Millionen Euro an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus nicht eingebunden gewesen zu sein.

Die bislang unzureichende Aufklärung hat dem DFB-Präsidenten auch öffentliches Ansehen gekostet. In einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ sprechen sich knapp zwei Drittel der Befragten für einen Rücktritt Niersbachs aus - dieser Schritt wäre aber zumindest vor Ende der DFB-Aufarbeitung durch externe Prüfer noch eher unerwartet.

Zwar wird hinter den Kulissen für den Fall eines vorzeitigen Abschied von Niersbach bereits über einen Übergangs-Plan B mit DFB-Vize Rainer Koch und Ligapräsident Reinhard Rauball als vorübergehende Doppelspitze spekuliert. Doch noch übt der Profifußball den Schulterschluss mit dem beliebten Verbandschef.

„Ich glaube, dass Wolfgang Niersbach der Mann ist, der dem deutschen Fußball so viel durch sein Netzwerk bringt“, erklärte DFB-Präsidiumsmitglied Harald Strutz bei Sky. „Wir sollten vorsichtig sein, so gegen diesen Mann zu schießen - sei es durch die Öffentlichkeit oder durch Kommentare, die teilweise auch von intern kommen.“

Am Samstag saß der Präsident des FSV Mainz 05 noch demonstrativ neben Niersbach auf der Ehrentribüne, am Montag befasst sich auch Strutz im DFB-Präsidium mit den neuen Wendungen im Sommermärchen-Skandal. Anschließend muss Niersbach auch vor den Chefs der fünf Regional- und 21 Landesverbänden Auskunft geben - die Basisvertreter stehen diesem DFB-Boss traditionell eher skeptisch gegenüber. Beide Sitzungen waren einberufen worden, um die Lage nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Niersbach, seinen Vorgänger Theo Zwanziger und den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt zu erörtern.

In näherer Zukunft muss Niersbach zudem voraussichtlich auch den Ermittlern der FIFA-Ethikkommission Rede und Antwort stehen. Allerdings will das Gremium voraussichtlich erst noch die DFB-Aufklärung abwarten, bevor sie Maßnahmen einleitet. „Wir verfolgen die Entwicklungen in Deutschland aufmerksam“, teilte ein Sprecher der Ethikkommission mit.

Auf internationaler Ebene können die Ethikhüter eine Fußball-Sperre aussprechen, in Deutschland dürfen weder DFB-Präsidium noch die Amateurvertreter laut Statuten alleine Niersbach von seinen Aufgaben entbinden. Ein Vertrauensentzug würde aber die Demission des 64-Jährigen unausweichlich machen.

Sollte Steuerhinterziehung bewiesen werden, könnte dem DFB für das Jahr 2006 sogar die Gemeinnützigkeit aberkannt werden - eine Strafzahlung in zweistelliger Millionenhöhe könnte die Konsequenz sein, berichtet „Der Spiegel“. Dieses Szenario sei beim DFB bislang kein Thema, hieß es aus Verbandskreisen. Allerdings will der Verband einem Bericht der „Welt am Sonntag“ zufolge beim Bundestag in einem Jahr nun doch eine eigene, nationale Ethik-Kommission installieren.

Der Vertrauensverlust in die Führer der Fußball-Welt ist angesichts der jüngsten Skandalwelle aus Sicht der Politik jedoch bereits nur noch schwer zu beheben. „Der Fußball ist der Sport schlechthin weltweit. Und dann ist es natürlich ein Problem, wenn Verbände wie die FIFA und jetzt auch der DFB nicht das größte Ansehen haben“, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.

Und auch der Philosoph Wolfram Eilenberger sieht die Rolle des DFB überaus kritisch. „Vor drei Wochen war der DFB noch eine Art Leuchtturm. Es gab die Hoffnung, dass man Reformen im Weltfußball über den DFB und seine Standards würde etablieren können“, sagte er bei Sport1. „Dieses Kartenhaus ist nun natürlich vollkommen in sich zusammengebrochen. Wir bewegen uns seit drei Wochen zwischen Tragik und Farce.“