Steffen Freund: „Bedingungen wie bei der WM 1986“

Düsseldorf (dpa) - Steffen Freund, der frühere Fußball-Nationalspieler und Europameister von 1996, trainiert seit fast einem Jahr die deutsche U-17-Nationalmannschaft. Bei der EM in Serbien erreichte das Team das Finale und verlor dort gegen die Niederlande.

Seit vergangenem Wochenende bereitet sich die DFB-Auswahl in Mexiko auf die am Samstag beginnende Weltmeisterschaft vor. Der Trainer ist zuversichtlich und traut seinem Team eine gute Leistung zu. „Sollten wir Weltmeister werden, würde das in die Geschichte eingehen“, sagte Freund der Nachrichtenagentur dpa.

Sie haben durch EM und WM zuletzt sehr viel mit Ihrem Team gearbeitet. Fühlen Sie sich schon wie ein Vereinstrainer?

Freund: „So kann man sich fast fühlen. Wir haben in der Rückrunde sehr viel Zeit miteinander verbracht. Das ist auch für mich eine sehr wichtige Erfahrung. Dabei war auch die Zusammenarbeit mit den Vereinen gut. Internationale Turniere auf höchstem Niveau bringen die jungen Fußballer eher einen Schritt nach vorn als nur reine Vereinsarbeit. Wir schaffen Voraussetzungen dafür, damit unsere Top-Talente auch eine Top-Förderung bekommen.“

U 21, U 20, U 19 haben die Turniere in diesem Jahr verpasst. Die U 17 ist derzeit das Aushängeschild. Spüren Sie oder Ihr Team den Erwartungsdruck?

Freund: „Man muss den goldenen Mittelweg finden. Auf der einen Seite ist es immer der Anspruch des DFB, um Titel zu spielen. Auf der anderen steht für uns die Spiel- und Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. Unsere Spieler wollen alle große Fußballer werden und Titel feiern - dafür arbeiten wir. Turniere wie Welt- und Europameisterschaften erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sie es auch schaffen. Nach der Niederlage im EM-Finale gegen die Niederlande habe ich die Enttäuschung bei meinen Spielern gesehen. Aus dieser Erfahrung wollen wir lernen und uns als Mannschaft weiterentwickeln. Die WM ist der absolute Höhepunkt.“

Was trauen Sie Ihrem Team zu?

Freund: „Die Spieler haben große Qualitäten und einen starken Willen. Die Spiele bei der EM haben gezeigt, dass die Mannschaft das Zeug dazu hat, auch in schwierigen Situationen zurückzukommen. Das erklärte Ziel ist das Achtelfinale. Wenn wir das erreicht haben, werden wir sehen, was noch möglich ist. Sollten wir Weltmeister werden, würde das in die Geschichte eingehen.“

Ecuador, Panama, Burkina Faso - wer ist der stärkste Gruppengegner?

Freund: „Ich habe unsere Gegner auf DVD beobachtet. Alle drei werden mit den klimatischen und geografischen Gegebenheiten wie Hitze und Zeitumstellung wohl besser zurechtkommen. Das ist ein großer Nachteil für uns, darauf müssen wir uns einstellen. Burkina Faso ist U-17-Afrikameister, das sagt schon alles über ihre Stärken aus. Gegen eine südamerikanische Mannschaft wie Ecuador zu spielen, ist immer schwer, und auch Neuling Panama ist ein unangenehmer Gegner. Es wird keine leichten Spiele geben.“

Mexiko gilt als fußballverrücktes Land. Welchen Stellenwert hat die U- 17-WM?

Freund: „Wir finden Bedingungen vor wie bei der WM 1986. Bei unseren Spielen rechnet man mit fünfstelligen Zuschauerzahlen. Wenn Brasilien spielt, kann das Stadion auch schon mal ausverkauft sein. Das sind tolle Bedingungen, die viele Mannschaften zu großen Leistungen treiben können.“

Reicht eine Woche Vorbereitung vor Ort aus, um sich zu akklimatisieren?

Freund: „Die Erfahrung zeigt, dass man pro Tag eine Stunde Zeitumstellung aufholt. Bei sieben Stunden sind das also sieben Tage. Diese Konstellation ist nicht einfach, aber ich hoffe, dass wir das hinbekommen. Jetzt liegt es an uns Trainern und Betreuern, die Mannschaft unter diesen Bedingungen so fit zu bekommen, dass sie auch sieben Spiele übersteht. Das ist keine leichte Aufgabe.“

Bei der letzten U-17-WM sind Spieler wie Toni Kroos und Mario Götze groß herausgekommen. Wem trauen Sie aus Ihrer Elf diesen Sprung zu?

Freund: „Im Kader gibt es einige Spieler, die den Sprung in den Seniorenbereich schon in Kürze schaffen könnten. Zum Beispiel unser Torwart Odisseas Vlachodimos, die Innenverteidiger Koray Günter und Nico Perrey sowie Rechtsverteidiger Mitchell Weiser. Auch Robin Yalcin oder Emre Can im defensiven Mittelfeld und natürlich unser Torjäger Samed Yesil haben unglaubliche Qualitäten.“

Wer sind die WM-Favoriten?

Freund: „Alle europäischen Mannschaften sind sehr stark. Auch Brasilien und Argentinien zählen zu den Topfavoriten. Gastgeber Mexiko darf man nicht vergessen, und bei einem solchen Turnier gibt es auch immer eine Überraschungsmannschaft, oft aus Afrika. Möglicherweise sogar unser Gruppengegner Burkina Faso.“