Toni Kroos vor WM-Qualifikation: "Wir haben Luft nach oben" (mit Video)
Düsseldorf. Toni Kroos vom FC Bayern München sagt, was er denkt. Der Mittelfeldspieler hat sich mit Kritik nie zurückgehalten: „Wenn ich ein Interview gebe, dann sage ich auch meine Meinung.“ Der Mittelfeldspieler spricht über die Nationalmannschaft, die Kritik an ihr und die Zukunftsaussichten.
Toni Kroos, spielen Sie gerne Tischtennis?
Toni Kroos: Ja, eigentlich schon. Ich weiß aber nicht, worauf Sie hinaus wollen.
Anders gefragt: Ist der Luxus bei der Nationalelf größer als bei den Bayern?
Kroos: Nein, das denke ich nicht. Es ist doch immer derselbe Mechanismus: Wenn man Spiele wie das gegen Italien verliert und eine EM nicht so endet, wie man sich das vorgestellt hat, dann gibt es Kritik.
Die Kritik kam von Ihrem Präsidenten Uli Hoeneß, der im „Spiegel“ gesagt hat, beim DFB ginge es in der Vorbereitung nur darum, „welche Tischtennisplatte wohin geflogen wird“. Hat er also nicht recht?
Kroos: Wir haben hier Bedingungen, die uns eine optimale Vorbereitung ermöglichen. Aber wir Spieler sollten das gar nicht groß bewerten. Wenn Uli Hoeneß etwas sagt, dann ist das sein gutes Recht.
Hoeneß hat auch gesagt, die Nationalspieler bräuchten mehr Druck. Stimmt das?
Kroos: Auch diese Diskussion würde nicht aufkommen, wenn wir Europameister geworden wären.
Aber das ist die Mannschaft nicht.
Kroos: Richtig, das weiß ich. Aber wichtig ist, dass wir unseren Fußball optimieren und Dinge ansprechen, die dazu geführt haben, dass wir nicht Europameister geworden sind. Nur das ist wichtig, und nicht, ob da irgendwo eine Tischtennisplatte steht.
Sind Sie überrascht, dass vier Monate nach dem EM-Aus das Italien-Spiel die Diskussion rund um die Nationalelf noch so beherrscht?
Kroos: Ein bisschen schon. Aber wie gesagt, wichtig ist nur, dass wir unsere Schlüsse daraus ziehen.
Welche Schlüsse sind das?
Kroos: Wir haben Luft nach oben, was die Defensivarbeit angeht. Aber wir müssen bei der Analyse aufpassen: Wir diskutieren auf hohem Niveau und dürfen nicht Grundsätzliches kritisieren, das über einen langen Zeitraum und auch während des Turniers sehr gut war. Wir bewegen uns als Mannschaft in einem Bereich, wo es nur kleine Schritte zur Verbesserung gibt. Pressing, Balleroberung, da können wir noch stärker werden. Geschlossen als Team attackieren, das können wir noch klüger machen. Da müssen wir uns steigern, wenn wir einen Titel gewinnen wollen.
Gibt es in der Mannschaft kein Blockdenken?
Kroos: Es gibt verschiedene Spielweisen der Bayern, der Dortmunder, der Madrilenen. Die zu einer Einheit zusammenzubringen ist das Ziel. Die Philosophie muss eins werden.
Eine Einheit werden: Gilt das auch für das Verhalten außerhalb des Platzes?
Kroos: Ja, aber das sind wir schon.
Wie muss die Nationalelf spielen: Mehr wie Dortmund oder mehr wie Bayern?
Kroos: Wie Deutschland. Grundsätzlich sollten wir schnell umschalten und nach einem Ballverlust sofort in den ersten Sekunden den Ball zurückerobern.
Das klingt ein bisschen mehr nach Dortmund.
Kroos (lacht): Letztlich ist doch der Stil nicht wichtig. Wichtig ist, dass wir gewinnen und dass alle elf Spieler die gleiche Art Fußball denken.
Ihre Aussage mit der Einheit im Team überrascht, wo doch erst Bastian Schweinsteiger kritisiert hat, dass sich bei der EM die Spieler bei Toren nicht so gefreut hätten wie er das erwartet hätte.
Kroos: Bastian ist ein verdienter Nationalspieler. Wenn ihm so etwas auffällt, hat er das Recht das zu sagen. Meiner Meinung nach herrscht eine große Empfindlichkeit, aus allem wird gleich eine Debatte gemacht. Ob es so ist oder nicht, was Basti aufgefallen ist, das ist eine andere Frage. Aber er hat das Recht das zu sagen.
Nach positiven Jahren hat sich nach der EM die Kritik am Team erhöht. Ist das derzeit die schwierigste Phase, seit Sie in der Nationalelf sind?
Kroos: Wenn man sich die Bewertungen von außen ansieht, dann könnte man diesen Eindruck bekommen, ja. Mit dem dritten Platz in Südafrika waren wir noch alle zufrieden, auch die Öffentlichkeit. Das ist aktuell nicht mehr so. Der Anspruch ist nochmal deutlich größer geworden. Auch zu recht aufgrund der Qualität, die wir in der Mannschaft haben. Trotzdem fährt man nicht zu einem Turnier und gewinnt das einfach so. Auch das 2:1 gegen Österreich jüngst war sicher nicht optimal, aber wenn ich das Spiel nicht gesehen und nur die Bewertungen gehört und gelesen hätte, wäre ich zu dem Eindruck gekommen, wir hätten 0:4 verloren. Die äußeren Ansprüche und Erwartungen werden wir nicht ändern können, denen müssen wir uns stellen.
Würden Sie sagen, die beiden anstehenden WM-Qualifikationsspiele gegen Irland und Schweden werden zu einem Charaktertest für die Mannschaft?
Kroos: Nein. Das sind zwei wichtige Spiele, die wir gewinnen wollen.
Der Teamgeist ist also gut?
Kroos: Ja, das Gefühl habe ich. Aber es ist natürlich teilweise eine schwierige Situation, weil hier bei der Nationalmannschaft auch Spieler mit unglaublicher Qualität auch mal auf der Bank sitzen. Das ist nicht immer einfach zu akzeptieren.
Nach der WM waren Sie es, der öffentlich Kritik daran geübt hat, dass er nicht so zum Zuge kam. Würden Sie das nochmal so machen?
Kroos: Wenn ich ein Interview gebe, dann sage ich auch meine Meinung. Natürlich waren die Reaktionen schon heftig. Aber es gehört dazu, dass Spieler ihre Meinung sagen, auch wenn die mal unbequem ist. Also, um auf Ihre Frage zurückzukommen: wahrscheinlich schon.
Gehen Sie davon aus, dass Sie in Irland am Freitag spielen?
Kroos: Ich bin in guter Form. Ich werde nichts fordern, das habe ich schon mal gemacht. Ich versuche mich hier anzubieten, ob ich dann spiele, kann ich nicht beeinflussen.
Die Bayernspieler müssten jedenfalls selbstbewusst in die anstehenden Partien gehen.
Kroos: Natürlich hatten wir einen super Saisonstart und das Selbstbewusstsein tut gut. Das ist wichtig, weil einem die Dinge dann einfach leichter fallen.