Fußball Aus der Tiefe, aus dem Schacht

BOCHUM · Mehr als 6000 Zuschauer wollten das entscheidende Spiel sehen. Auf so viel Fans war man nicht vorbereitet.

Über 6000 Menschen wollten das Spiel der SG Wattenscheid 09 sehen. Auf diesen Andrang war niemand vorbereitet.

Foto: wz/Schulz

Uli Hoeneß stand am Pfingstmontag nicht in den langen Schlangen vor den Kassenhäuschen des Lohrheidestadions. Wahrscheinlich hat der einstige „Big Boss“ des FC Bayern München den Aufstieg der SG Wattenscheid 09 in die Regionalliga West noch nicht einmal wahrgenommen. 1990 sah das anders aus, da waren die Kicker aus dem Bochumer Stadtteil sogar in die Bundesliga aufgestiegen und Hoeneß mit seinem kommerziell geprägten Gedankengut ein mächtiger Dorn im Auge. „Wattenscheid ist das Schlimmste, was der Bundesliga passieren konnte“, hatte Hoeneß seinerzeit geschnaubt. Ein paar Monate später verloren seine Bayern als amtierender deutscher Meister durch ein 2:3 in der Lohrheide den Titel an den 1. FC Kaiserslautern. Andere Zeiten, am Pfingstmontag hieß Wattenscheids Gegner Eintracht Rheine.

Einen Sieg benötigten die 09-er, um nach zweieinhalb Jahren zumindest in die Viertklassigkeit zurückzukehren. Am 23. Oktober 2019 hatte der Verein nach erfolgloser Sponsorensuche den Spielbetrieb eingestellt und seine Mannschaft aus der Regionalliga abgemeldet. Die Insolvenz war das Ende einer Reihe von Possen, welche die Schwarz-Weißen auf ihrem Weg zurück nach verloren gegangenem Ruhm immer weiter ins Schlamassel getrieben hatten.

Der Popularität der SG Wattenscheid 09 konnte das alles offenbar keinen Abbruch tun. Was sich am Pfingstmontag in der Lohrheidestraße zutrug, war für ein Spiel der fünften Liga nahezu schon skurril. Ein angrenzender Sportplatz musste geöffnet werden und als Parkfläche herhalten, um das Verkehrschaos rund ums Stadion zu beheben. Vor den Kassen bildeten sich Menschenschlangen von mehreren hundert Metern, geduldig wurde auf Einlass gewartet. Ein Andrang, den der Verein in dieser Form nicht erwartet hatte. Immerhin blieben drei der sechs Eingänge geschlossen und an einem dieser drei konnten zudem nur Dauerkarteninhaber hinein.

Doch plötzlich war das Kassenhäuschen am Dauerkarteneingang besetzt. Wechselgeld konnte dem fleißigen Kassierer in der kurzen Zeit nicht an die Hand gegeben werden, also wurde der Sitzplatz statt für 13 Euro flugs auf zehn Euro gesenkt. Geldschein hinlegen, Karte erhalten und ab auf die Tribüne. Derweil war der Anpfiff verschoben worden. Mit 21 Minuten Verspätung konnte es schließlich losgehen – vor 6342 Zuschauern! „Was willst du dazu sagen? Über 6000 Zuschauer in der Oberliga. Respekt“, sagte Trainer Christian Britscho.

Seine Mannschaft vergab zunächst etliche Chancen, erst der verwandelte Foulelfmeter von Emre Yesilova (52.) brach den Bann. Der Jubel nach dem 2:0 durch Dennis Knabe in der 83. Minute war dann vermutlich bis in die Nachbarstadien von Bochum, Gelsenkirchen und Essen zu hören. Beim Abpfiff brachen schließlich alle Dämme. Die Fans fluteten den Innenraum, aus den Lautsprechern dröhnte das Vereinslied, das Bier floss in Strömen und am Fan-Stand rissen sich die Menschen um die vorgefertigten Aufstiegs-Shirts – Ausnahmezustand im Lohrheidestadion.