#WM 2006 WM-Affäre: Zwanziger widerspricht Netzer
Frankfurt/Main (dpa) - Die Schlammschlacht zwischen Theo Zwanziger und dem Rest der deutschen Fußball-Welt geht in eine neue Runde.
In der zentralen Frage, ob Günter Netzer ihm gegenüber die Bestechung von FIFA-Funktionären vor der Vergabe der WM 2006 eingestanden hat oder nicht, widersprach der frühere DFB-Präsident dem ehemaligen Nationalspieler vehement.
Netzers Ehefrau könne dafür nicht als Zeugin herangezogen werden, weil sie „bei unserem Gespräch von etwa zwei Stunden höchstens eine halbe Stunde dabei war“, sagte Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur bereits in einem Hintergrundgespräch. Am Mittwoch hob er die Vertraulichkeit auf und bestätigte diese Aussage noch einmal. Auch eine von Netzer geforderte Unterlassungserklärung werde er „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nicht unterschreiben, betonte Zwanziger.
Die Auseinandersetzung zwischen ihm und Netzer rückt kurz vor Zwanzigers Aussage vor den externen Ermittlern ins Zentrum der WM-Affäre. Dort will der frühere DFB-Chef spätestens an diesem Donnerstag seine Unterlagen und Kenntnisstände präsentieren. Kurz vor dem Termin sind allerdings massive Zweifel an der Unabhängigkeit der vom Deutschen Fußball-Bund beauftragten Ermittler aufgetaucht.
Der Verband bestätigte am Mittwoch einen Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ über eine private Verbindung zwischen einem engen Mitarbeiter von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und einem Partner der eingeschalteten Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. „Es ist korrekt, dass Dr. Friedrich Curtius und Prof. Dr. Christian Duve bis zum 30. Juni dieses Jahres gemeinsam im Vorstand des Rotary Clubs Frankfurt Skyline tätig gewesen sind und sich über diese Verbindung kennen“, teilte der DFB auf Anfrage mit. Curtius ist Leiter des Präsidialbüros beim Deutschen Fußball-Bund. Freshfields-Partner Duve schied Ende Juni aus dem Rotary-Vorstand aus.
Beide Seiten betonten umgehend, dass diese Verbindung auf die Arbeit der Anwälte keinerlei Auswirkungen hätte. Die Ermittlungen würden „ohne Ansehen der Person“ von mehreren Anwälten geführt, sagte Freshfields-Sprecher Jan Beßling der „Zeit“. Allerdings hatte Duve selbst erst am Vortag in einer vom DFB verbreiteten Stellungnahme betont: „Wir legen großen Wert auf die Unabhängigkeit unserer Untersuchung und die Seriosität der Ergebnisse.“ Beides steht nun in Zweifel.
Dabei haben die externen Ermittler in der WM-Affäre auch nach der Vernehmung der Schlüsselfigur Franz Beckenbauer am Montag noch immer viel zu tun. Denn zentrale Fragen sind weiter ungeklärt. Wohin genau flossen die 6,7 Millionen Euro, die der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus für die deutschen WM-Organisatoren an die FIFA überwies? Floss dieses Geld schon vor der WM-Vergabe oder erst zwei Jahre später? Und welche Aussagen fielen in dem Gespräch zwischen Zwanziger und Netzer im Jahr 2012 in Zürich?
Zwanziger hatte dem „Spiegel“ erklärt, dass ihm der frühere WM-Botschafter seinerzeit gestanden habe, dass mit dem Geld vor der WM-Vergabe vier stimmberechtigte FIFA-Funktionäre aus Asien bestochen worden seien. Netzer weist das entschieden zurück und versucht nun, dem ehemaligen DFB-Präsidenten zu verbieten, dass er diese Behauptung wiederholt. Am Dienstagabend ging beim Anwalt von Zwanziger eine Abmahnung ein. „Entweder er verpflichtet sich, die Verleumdungen künftig zu unterlassen oder er muss sich vor Gericht verantworten. Die Wahl liegt bei ihm“, sagte Netzers Anwalt Ralf Höcker.
Als Zeugin wird Netzers Ehefrau angeführt. „Zwanziger hat offenbar vergessen, dass Frau Netzer während des gesamten Gesprächs mit am Tisch saß. Sie kann bezeugen, dass Zwanziger lügt“, erklärte Höcker. Diese Version weist nun wiederum der frühere DFB-Präsident zurück.
„Ich habe die Unterlassungserklärung noch nicht gesehen, die liegt bei meinem Anwalt. Aber ich sage die Wahrheit. Und wenn ich die Wahrheit sage, unterzeichne ich doch keine Unterlassungserklärung, in der ich davon abrücke“, sagte Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur.
Aufgrund seiner beinahe täglichen Enthüllungen in der WM-Affäre sieht sich der frühere DFB-Chef mittlerweile auch ebenso regelmäßigen Angriffen und Vorwürfen aus der Fußball-Welt ausgesetzt. Außerhalb dieser Fußball-Welt gilt die Kritik aber auch weiterhin dem DFB.
Der Verband und sein Präsident Wolfgang Niersbach würden „ein unprofessionelles Bild abgeben“, sagte der Vorsitzender des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, Walter Schneeloch, der „Westdeutschen Zeitung“. „Wenn es keine schwarzen Kassen gegeben hat, dann muss man ganz anders gegen diese Behauptungen vorgehen. So bleibt der negative Beigeschmack für den gesamten Sport.“
Die Oppositionsparteien im Bundestag kritisieren neben dem DFB auch die Bundesregierung. „Der zuständige Minister hat dazu bisher keine Silbe verloren. Ich wundere mich über die Schweigsamkeit von Herrn de Maizière“, sagte Özcan Mutlu als sportpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion der Deutschen Presse-Agentur. Der sportpolitische Sprecher der Linken, André Hahn, geht sogar noch weiter. „Ich glaube, dass Herr Niersbach das nicht durchstehen kann als DFB-Präsident“, sagte er. „Es wird am Ende nicht ohne Konsequenzen bleiben.“