Netzer im Strudel der WM-Affäre

Frankfurt/Main (dpa) - An der Seite von Franz Beckenbauer sorgte Günter Netzer für eine der größten Sternstunden des deutschen Fußballs. Gemeinsam brillierten die beiden Künstler in der legendären Wembley-Elf beim 3:1 über England im EM-Viertelfinale 1972.

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Netzer soll alleine in dieser Partie 20-mal den Ball auf Beckenbauer gespielt haben - und auch auf sportpolitischem Parkett pflegten die Weggefährten den Doppelpass.

Beckenbauer als Leiter des Bewerbungskomitees und Netzer als WM-Botschafter waren maßgeblich daran beteiligt, die Weltmeisterschaft nach Deutschland zu bringen und zu repräsentieren. Beide waren enge Vertraute des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus, einem weiteren Hauptdarsteller. Wie der vermeintlich makellose Kaiser steht nun auch der früher geniale Mittelfeldregisseur Netzer im Zuge der Sommermärchen-Affäre voll im Zwielicht.

Als letzte der deutschen Schlüsselfiguren brach er sein anhaltendes Schweigen - und sah sich zur Klageandrohung gegen Theo Zwanziger genötigt. Der frühere DFB-Präsident berichtete zuletzt mehrfach von einem Gespräch aus dem Herbst 2012, in dem Netzer erklärt haben soll, die dubiosen 6,7 Millionen Euro seien „für die vier Stimmen der Asiaten im FIFA-Exekutivkomitee verwendet worden“. Um zu beweisen, dass Zwanziger vermeintlich „lügt“, beruft sich Netzer sogar auf seine Frau Elvira, die damals „während des gesamten Gesprächs“ anwesend gewesen sei. Schmutziges Sommermärchen.

Schon früh nach Ende seiner aktiven Karriere 1977 verstand Netzer den Fußball als Geschäft. Der gebürtige Mönchengladbacher wurde zunächst Manager beim Hamburger SV, übernahm 1986 die Geschäftsführung beim Sportrechtevermarkters CWL und blieb auch nach Verkauf des Unternehmens an die Mediengruppe Leo Kirch im Unternehmen.

Die Rollen von Kirch und über Umwege CWL im Zuge der WM-Vergabe wurden bereits vor dem Weltturnier kritisch beleuchtet - angeblich sollen mit Offerten gegenüber den Verbänden aus Malta, Tunesien, Thailand und Trinidad deren Stimmen geködert worden sein.

Freundschaftsspiele des FC Bayern für Spiele in Malta, Tunesien und Thailand wurden vereinbart, CWL kaufte und verkaufte die Übertragungsrechte. „Ein ganz normales Agenturgeschäft“, sagte Netzer als CWL-Manager 2003. Die Beträge seien an die Verbände gezahlt worden, nicht an Mitglieder der FIFA-Exekutive: „Alles sauber abgewickelt“, meinte Netzer.

Als Mitglied des Aufsichtsrats war der heute 71-Jährige neben seiner geschäftlichen Tätigkeit auch für die Kontrolle des WM-Organisationskomitees zuständig. „Er ist als berühmter Fußballer und durch seine Tätigkeit für die Kirch-Gruppe eine ideale Besetzung“, erklärte der damalige OK-Vize Horst R. Schmidt die Berufung Netzers im November 2001.

Ein knappes Jahr später übernahm er unter anderem mit Louis-Dreyfus die Sportrechte aus der insolventen Kirch-Gruppe, bei der anschließend gegründeten Agentur Infront ist Netzer bis heute noch Geschäftsführer. Er hat durch den inzwischen gestorbenen Louis-Dreyfus auch eine direkte Verbindung zur ominösen Schlüssel-Zahlung in der WM-Affäre. Ok-Vize Schmidt berichtete, er habe „durch einen Anruf von Günter Netzer erfahren, dass Robert Louis-Dreyfus einen Anspruch gegen das OK des DFB in Höhe von 6,7 Mio. Euro haben soll“.

Vor knapp drei Jahren sollte Netzer eigentlich neben Zwanziger auf dem Podium sitzen - nach seinem Rückzug aus dem DFB-Amt wollte dieser seine Biographie „Die Zwanziger Jahre“ vorstellen. Doch Netzer sagte als Diskussionsgast ab, Zwanziger zeigte Verständnis angesichts seiner eigenen Attacken unter anderem gegen Uli Hoeneß. Für Netzer sei ein Auftritt etwas schwierig geworden, „weil er noch andere Freunde im DFB hat“, bekannte Zwanziger. Auch die gegenseitige Freundschaft hat sich spätestens mit der Desillusionierung des Sommermärchens nun erledigt.