WM-Film "Die Mannschaft": Ferienlager mit emotionaler Wucht

Starke Bilder, große Gefühle: Der Film "Die Mannschaft" beeindruckt durchaus - wenn man auf heile Welt steht.

Der WM-Film "Die Mannschaft" kommt am 13. November im Verleih der Constantin Film in die Kinos und ist eine offizielle Dokumentation der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014. Quelle: obs/Constantin Film/Markus Nass

Foto: Markus Nass

Köln. „Männer“, ruft Thomas Müller durch den Bus. „Beim nächsten Turnier könnt ihr mich wieder anrufen. Davor will ich von keinem von euch mehr was hören.“ Rumms. So sprechen Sie miteinander, die Weltmeister. Gerade den Titel gewonnen, jetzt flachsen sie. Und singen: „Die Nummer eins der Welt sind wir.“ Es gibt diese Momente in dem Film „Die Mannschaft“, wo alles absurd wird, weil die Dimensionen auseinander driften: Hier das große Kino, die großen Gefühle, dort die ansehnlich kickenden Jungspunde mit Smartphone als dritte Hand und Kopfhörern. Jungs, die auch einfach eine Menge Spaß miteinander haben, gerne auch unmittelbar vor wichtigen Spielen. Wie im Ferienlager. Nur dass nachher einer die schmutzigen Klamotten zusammenkehrt.

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Ja, dieser Film ist sehenswert. Was sollte auch anderes dabei herauskommen, wenn man ganz viele sehenswerten Momente der sommerlichen Realität, Zeitlupen im Übermaß und eigens komponierte Filmmusik des Harald-Schmidt-Musikanten Helmut Zerlett in einen Mixer wirft. Man mag es, wenn man Fußball mag. Und sich auch dann freuen kann, wenn Anfang und Ende des Films längst feststehen. Und man eine gehörige Portion heile Welt vertragen kann, in der für dunkle Farben kein Platz ist — abgesehen vom kurz reingeschnittenen Unfall im Südtiroler Trainingslager. immerhin ist das weitgehend eine DFB-Produktion von DFB-Kameraleuten, da bleibt nicht viel Raum für Kritik. Da werden auch die Werbepartner ins rechte Licht gerückt. Und: Bastian Schweinsteiger hört man in einer hingebungsvollen Szene mit nacktem Oberkörper und Betgeste sagen: „Obrigado, Sepp Blatter.“ Da hört man dann doch zweimal hin, weil die Fifa die Spielbilder geliefert hat. Und von den erwarteten drei Millionen Euro Einnahmen für ihre Projekte profitieren wird. Aber Schweinsteiger, das sagt er im Film, hat es eben gerne „warm“. Und Blatter hat die WM ins sonnige Brasilien gebracht. So einfach kann das manchmal sein.

WM-Film "Die Mannschaft" feiert Premiere in Berlin
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Der Film lebt von seinen Emotionen, von schönen Bildern und einer Erkenntnis: Da ist tatsächlich eine Mannschaft für einen Erfolg freundschaftlich zusammengewachsen. Mit Szenen, die überraschen: Da präsentiert sich Philipp Lahm durchgehend gut gelaunt — und auch gerne mal als Sänger im Bus. Da schmettert Christoph Kramer auf nächtlicher Fährfahrt den alten Keating-Klassiker „When you say nothing at all“ — und die Mannschaft stimmt mit ein. Da hält Joachim Löw Ansprachen in beinahe militärischer Diktion, scharf und präzise vor dem Halbfinale gegen Brasilien: „Wir fighten so lange, bis wir in Rio sind!“ Und Per Mertesacker präsentiert seinen Aberglauben: Er steht mit Benedikt Höwedes auf der Fährfahrt weg von Campo Bahia in die Stadien Brasiliens immer an der gleichen Stelle. Schließlich: Miroslav Klose sucht sich seine WG-Partner zuerst nach deren Vorliebe aus, „früh ins Bett zu gehen“.

Zwei Perlen: Löws Zusammenkunft mit US-Berater Berti Vogts, ein Treffen von zwei Welten ohne tatsächlichen Kontakt. Und die Aufnahmen von der Jubelfeier aus Berlin, wo selbst die Insassen eines Gefängnisses dem Team im offenen Bus zujubeln — durch die Gitterstäbe. Wenn dann noch Mertesacker zugibt, im verbal und inhaltlich krachenden Interview mit ZDF-Mann Büchler wahrscheinlich „zum ersten Mal im Leben die Wahrheit geantwortet zu haben“, darf man vom Blick hinter die Kulissen sprechen. Gänsehautmomente sind die Spielszenen, die auf der Leinwand und bei entsprechend hochgedrehtem Ton Wirkung auch bei denen zeigen dürften, die alle Tore schon hundertmal gesehen haben. Und das ist es am Ende dann eben doch: Vieles ist noch präsent.

Und trotzdem ist es schön, so hübsch aufbereitet nochmal draufschauen zu können. Darf bei der WM 2018 in Russland eigentlich gefilmt werden?

Der Film „Die Mannschaft“ startet ab Donnerstag in den deutschen Kinos.