Algeriens Trainer: Mit Ecken und ganz vielen Kanten

Mit dem Erreichen des Achtelfinales hat sich Trainer Vahid Halilhodzic ein Denkmal gesetzt. Trotzdem will er aufhören.

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Porto Alegre. Vielleicht wiederholt Vahid Halilhodzic am Montag im Presseraum des Estadio Beira-Rio von Porto Alegre wieder seine typische Geste. Wenn dem algerischen Nationaltrainer bei einem öffentlichen Auftritt ein Fakt wichtig erscheint, formt er gerne Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis. Wenn der in Ehren ergraute 61-Jährige allerdings nichts verraten möchte, dann kommt die abwertende Handbewegung ins Spiel.

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Wie vor dem Duell gegen Deutschland (Montag, 22 Uhr/ZDF), als der Berichterstatter der algerischen Tageszeitung „El Watan“ wissen wollte, ob das Erreichen des Achtelfinals ihn bewegen könne, doch zu bleiben? „Dazu sage ich nichts“, keifte Halilhodzic. Und seine Gestik sprach Bände. Lasst mich endlich in Ruhe, hätte er auch ausrufen können.

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Einerseits verspürt der streitbare Fußballlehrer unendlich viel Stolz, andererseits hat der wertkonservative Bosnier keine Lust, sich von den nordafrikanischen Stimmungsschwankungen leiten zu lassen. Er hört auf — das steht für ihn fest. Und für die Verbandsfunktionäre auch, die ihn doch schon längst loswerden wollten.

Hätte es vor dem Turnier nicht ein klares Votum aus dem Kader (Kapitän Madjid Bougherra: „Unser Trainer ist hart und gründlich, aber wir mögen ihn“) gegeben, hätte man ihn vermutlich so hinauskatapultiert, wie es Halilhodzic vor vier Jahren als Coach der Elfenbeinküste widerfuhr, was er als „extrem enttäuschend“ einstufte.

Wer ihn holt, hat ein unberechenbares Unikum im Haus, der mitunter keine Gelegenheit scheut loszuwettern. Mitunter lästert er über den algerischen Fußball im Allgemeinen („Als ich vor drei Jahren kam, war es ein Desaster“) und die algerische Presse im Besonderen („Sie hassen mich“). Im Umfeld der Delegation wird erzählt, der autoritäre Trainer fische beinahe jeden kritischen Artikel aus dem Netz. Hart, aber nicht herzlich, beteuern die einen, eigenwillig, aber fachkundig und grundehrlich, behaupten die anderen.

Seine Befürworter verweisen darauf, dass der zweifache Familienvater eben schon viel miterlebt habe. Denn 1992 verschonte der beginnende Bosnien-Krieg den damaligen Trainer von Velez Mostar nicht: Kroatische Separatisten hatten den in Jablanica geborenen Halilhodzic als perfekte Zielscheibe ausgemacht — und prompt traf ihn ein Heckenschütze. „Ich war der erste Verletzte in Mostar“, hat der einstige Torjäger (Velez Mostar, FC Nantes, Paris St. Germain) einmal gesagt.

Doch er knickte nicht ein, bewaffnete sich und versuchte sich zu verteidigen. Er erlebte, wie die ethnischen Konflikte seine Heimat spalteten und „aus Menschen Tiere machten“, wie er erzählt hat. Aber weil Halilhodzic zunächst blieb, ehe er 1993 in Frankreich seine internationale Trainerkarriere startete, stieg er zum Idol auf.

Häufig nennt man ihn einen „vom Krieg gestählten Mann“, der seine wenigen Länderspieleinsätze — 15 für das ehemalige Jugoslawien — so erklärte: „Wahrscheinlich war mein Name zu lang für die Anzeigetafel in Belgrad.“ Seine bewegende Vita soll der Grund sein, dass er sich nicht mehr mit Schaumschlägern und Wendehälsen abgeben will.

Als sich nach dem Gruppenspiel gegen Südkorea (4:2) in Porto Alegre ein Journalist im Namen algerischer Kollegen wortreich entschuldigte und eine Verbeugung machte, nahm der Dickschädel das nicht an. Es heißt, der Franzose Christian Gourcoff bekomme seinen Job, während Halilhodzic bei Trabzonspor anheuere. Könnte passen, weil der Ex-Torjäger hier schon 2005 das Sagen hatte. Aktuell mag er nicht sprechen. „Ich habe einige Angebote, aber im Moment bereite ich ein historisches Match vor.“

Nicht auszudenken, was in der Hauptstadt Algier passieren würde, wenn seine „Wüstenfüchse“ die Sensation von 1982 wiederholen würden. Rabah Madjer, mit Lakhdar Belloumi einst der Torschütze gegen Deutschland aus Gijón, sagt, er könne nicht in Worte fassen, „wie groß meine Freude ist“.

Nur Halilhodzic ist nüchtern. Er hat nicht vergessen, dass ihn jene, die ihn jetzt feiern, noch vor einem Jahr am liebsten in die Sahara getrieben hätten, als ihre Lieblinge beim Afrika-Cup versagten. Halilhodzic ging die Aufregung zu weit. „Ich trainiere ein Fußballteam, aber ich führe keinen Krieg“, betonte er. Und formte Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis.