Amerikaner plötzlich im „Soccer“-Fieber
Washington (dpa) - Alle vier Jahre wieder sind sich Fußball-Fans in den USA einig: Diese Weltmeisterschaft bringt den großen Durchbruch für den Sport, der im Schatten von American Football, Baseball, Eishockey und Basketball steht.
Und wie jedes Mal seit 1990, als sich das US-Team erstmals seit langem wieder qualifiziert hatte, stimmen während des Turniers die Einschaltquoten und sind die Bars voller Fans, die enthusiastisch ihre Mannschaft anfeuern.
Doch jeweils nach dem WM-Hype fiel „Soccer“ dann stets in sein Nischendasein zurück als ein Sport, den man gern selbst betreibt, sich aber nicht anschaut. Nichtsdestotrotz sind die Vorzeichen mittlerweile besser denn je: Insgesamt fast 25 Millionen Amerikaner sahen am Sonntag das dramatische Unentschieden des Teams von Jürgen Klinsmann gegen Portugal - absoluter Rekord.
Selbst Finalspiele der Basketball-Liga NBA und der Baseball-Liga könnten da nicht mithalten, schrieb die „New York Times“. Beim Sportsender ESPN knallten die Sektkorken. „Die Mannschaft bekommt das schon mit, dass die Leute fußballbegeistert sind. Die Spieler sind sich dessen bewusst“, sagte Klinsmann am Mittwoch einen Tag vor dem Duell gegen Deutschland.
Ohnehin ist Fußball in den USA bereits jetzt ein einträgliches Geschäft. Die Zuschauerzahl in den Stadien liegt im Schnitt schon über 18 500 - in Italien sind es auch nur 5000 mehr. Die Profiliga MLS wird künftig 21 Mannschaften haben - acht mehr als 2007. Pro Jahr fließen 90 Millionen Dollar (rund 66 Millionen Euro) an TV-Geldern.
Wie zum Beweis ist die Begeisterung für die WM in Brasilien ausgeprägt wie nie. ESPN und dessen Muttersender ABC sind bei allen Spielen live dabei. Zusammen zeigen sie über 290 Stunden World-Cup-Programm, 50 Stunden mehr als vor vier Jahren, rechnete das Branchenblatt „Variety“ vor. Auch die Werbepreise steigen. 2006 kostete ein 30-Sekünder im Finale 129 000 Dollar, 2010 waren es schon 389 000 Dollar. Das ist allerdings immer noch billig im Vergleich zu den vier Millionen Dollar beim Super Bowl, dem Endspiel der Football-Liga NFL.
Seit dem Sieg gegen Ghana im ersten Spiel, aber spätestens seit dem Portugal-Knüller herrscht auch in den USA „Soccer“-Fieber. Nachrichtensender wie CNN und MSNBC widmen der Vorberichterstattung auf das Spiel gegen Deutschland am Donnerstag schon beinahe soviel Sendezeit wie der Krise im Irak. Eingefleischte Baseballfans sprechen plötzlich von der Abseitsfalle, Nachspielzeit und Torlinientechnologie, als seien sie schon immer die größten Experten gewesen. Torjäger Clint Dempsey wird gefeiert wie ein Nationalheld.
Auch Klinsmann kennt nun fast jeder in den USA. Allerdings machte sich der ehemalige DFB-Teamchef zuletzt nicht viele Freunde, weil er auf einer Pressekonferenz vor der WM den Turniersieg der Amerikaner als unrealistisch bezeichnete. Solcher öffentlich zur Schau gestellte Pessimismus ist im Land des Nationalstolzes und des Sportfanatismus ein absolutes No-Go. So reagierten die Fans entsprechend trotzig. Wo immer sie gemeinsam die Spiele schauen, ob in Kneipen oder auf öffentlichen Plätzen, erschallt nun stets der gleiche Schlachtruf: „I believe that we will win“ (Ich glaube, dass wir gewinnen werden).
Vor allem in Metropolen ist die Begeisterung zu spüren. Ob New York, San Francisco, Chicago oder die Hauptstadt Washington - die WM ist zu einem wahren Fest geworden. Für das Spiel am Donnerstag hat die deutsche Botschaft in der Hauptstadt sogar ein richtiges Public Viewing auf einem beliebten Platz mitten in der Stadt organisiert. Einem Sprecher zufolge wird gewaltiger Andrang erwartet.