Nach täuschen und taktieren England und Belgien bereit fürs Achtelfinale?

Kaliningrad (dpa) - Kein Harry Kane, kein Kevin de Bruyne - die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der XXL-Rotation werden erst nach den Achtelfinals ausgeräumt sein. Wenn es gut geht. Oder in harsche Kritik umschlagen, wenn es schief geht.

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Sollten England und Belgien in der ersten K.o.-Runde scheitern, wird den Trainern ihr riskantes Personalpuzzle im wenig bedeutsamen Gruppenfinale nachträglich um die Ohren fliegen. „Das Momentum verloren. Ich hoffe, das kostet uns nicht das Weiterkommen“, mahnte Englands Ex-Nationalspieler Alan Shearer bereits nach der 0:1-Pleite am Donnerstag in Kaliningrad auf Twitter.

Die Frage, wie wichtig Platz eins oder zwei nach der Vorrunde ist, hatten Gareth Southgate und Roberto Martinez bereits auf dem Aufstellungsbogen vor dem Duell der beiden schon als Achtelfinalisten feststehenden Teams beantwortet. „Letztlich muss einer entscheiden, was in der Situation das Beste für die Mannschaft ist“, verteidigte Southgate seine Runderneuerung mit gleich acht neuen Kräften.

Sämtliche Stars wie Top-Torjäger Kane wurden geschont. Trotz der ersten Niederlage in Russland, die Adnan Januzaj (51. Minute) mit seinem herrlichen Treffer besiegelte, ist der 47-jährige Southgate von seinem Weg überzeugt. „Jeder weiß, dass das K.o.-Spiel wichtiger ist. Wir wollten nicht das Risiko eingehen, dass sich ein Schlüsselspieler verletzt“, betonte der Coach der Three Lions mit Blick auf das Achtelfinale gegen Kolumbien am Montag in Rostow. „Okay, wir haben nicht gewonnen. Und vielleicht gibt es Kritik, aber ich stehe zu meiner Entscheidung. Sie war richtig.“

Ob das stimmt, wird sich erweisen. Immerhin gelang es England seit dem verlorenen Halbfinale 1990 in Italien gegen Deutschland erst zweimal, die erste K.o.-Runde bei einer WM zu überstehen (2002/2006). Eine Bilanz, die der Talentschuppen nun aufpolieren soll: „Ich bin sicher, dass wir Kolumbien schlagen können. Das wird eine fantastische Herausforderung“, meinte Southgate.

Die Roten Teufel können sich nun einen Tag länger ausruhen und haben in Japan am Dienstag in Moskau zunächst den vermeintlich leichteren Gegner. Zudem konnte der Coach auf die makellose Bilanz von drei Siegen und den meisten Vorrunden-Treffern (9) aller Teams verweisen. Also alles richtig gemacht? Der Preis für den Erfolg sind eine umständlichere Reiseroute und womöglich die schweren Aufgaben. Denn sollte Belgien die Hürde Japan nehmen, wartet im Viertelfinale in Brasilien oder Mexiko ein ganz dicker Brocken. Dass Martinez den Gruppensieg deshalb gar nicht wollte, wies er vehement zurück. „Man will jedes Spiel gewinnen. Und so weit nach vorne schauen wir nicht. Unser Fokus gilt nun ausschließlich Japan.“

Martinez ist sicher, dass sein Team noch enger zusammengerückt ist, weil auch die Reservisten WM-Erfahrung sammeln konnten. „Jeder ist froh, wenn er mal spielen kann. Und dafür, dass wir so viele Wechsel hatten, haben wir eine gute Partie gemacht.“ Abwehrchef Vincent Kompany, der nach langer Verletzungspause seinen ersten 20-Minuten-Einsatz bei der WM unbeschadet überstand, war stolz auf sein Team: „Genau so müssen wir weitermachen.“

Ob das gelingt oder die eingespielte A-Elf aus dem Rhythmus gebracht wurde, wird sich ebenfalls zeigen. Es ist wohl die letzte Titelchance für die sogenannte Goldene Generation. Martinez ist sicher, dass sie sie nutzen kann: „Wir können mit jedem Gegner mithalten.“