Uruguay-Star Geläuterter Suárez will Schatten der WM 2014 entfliehen
Nischni Nowgorod (dpa) - Der unrühmliche Abgang nach seiner spektakulären Beißattacke bei der WM 2014 verfolgt Luis Suarez immer noch. „Der Stachel sitzt noch tief“, bekannte Uruguays Stürmerstar unlängst in einem Interview des „kicker“.
In Russland kehrt der Angreifer vom spanischen Meister FC Barcelona nun voller Tatendrang auf die Welt-Bühne des Fußballs zurück - und hat nur ein Ziel: „Ich habe mir vorgenommen, den Stachel der letzten WM zu ziehen.“
Rückblende: Es ist der 24. Juni 2014. Im letzten WM-Vorrundenspiel gegen Italien (1:0) beißt Suárez seinem Gegenspieler Giorgio Chiellini bei einem Zweikampf im Strafraum der Squadra Azzurra in die Schulter. Ein bisher einmaliger Vorfall in der WM-Geschichte, den der Schiedsrichter nicht sieht - dafür aber Millionen von Zuschauern an den Fernsehgeräten.
Der Weltverband FIFA reagiert mit einer drakonischen Strafe. Suárez wird für vier Monate von allen Fußball-Aktivitäten ausgeschlossen. Dazu muss er eine Strafe von 100.000 Schweizer Franken zahlen. Ohne ihn scheitert Uruguay schon im Achtelfinale an Kolumbien. „Ich habe gelitten. Es war einer der schwierigsten Tage meines Lebens“, beschrieb Suárez später seine Gefühlslage nach dem bis dahin härtesten FIFA-Urteil gegen einen Spieler.
Seiner Familie gegenüber verheimlichte „El Pistolero“ (Der Pistolenschütze), wie Suarez wegen seiner entsprechenden Handbewegungen beim Torjubel genannt wird, lange die Wahrheit. „Ich habe meine Frau Sofia angelogen“, beichtete der 31-Jährige im Vorjahr in einem Interview des spanischen Radiosenders El Transistor. „Sie fragte mich, ob ich es getan habe, und ich stritt es ab.“
Seinen Kindern Delfina und Benjamin gaukelte Suarez ebenfalls etwas vor, als diese sich darüber wunderten, warum ihr Papa nach seinem etwa 82 Millionen Euro teuren Transfer vom FC Liverpool zum FC Barcelona im Sommer 2014 wochenlang nicht zur Arbeit ging. Und auch in der Öffentlichkeit gerierte er sich als Unschuldslamm. „Um ehrlich zu sein, es tat deshalb besonders weh, weil ich gar nicht so ein Typ bin. Ich bin ein Softie, und meine Familie weiß das“, sagte Suárez.
Für sein Privatleben, in dem er einen freundschaftlichen Umgang mit Weltstar Lionel Messi pflegt, mag dies zutreffen. Doch auf dem Rasen ist Suárez in seiner Karriere schon oft in eine Rambo-Rolle geschlüpft. Bereits als 16-Jähriger streckte er 2003 einen Schiedsrichter mit einem Kopfstoß nieder, weil der ihn des Feldes verwiesen hatte. Die Folge: elf Spiele Sperre.
Im Trikot von Ajax Amsterdam prügelte er sich 2007 in der Halbzeit mit seinem Teamkollegen Albert Luque. Dafür gab es eine Geldstrafe. 2010 folgte die erste Beißattacke, als er seinem Gegenspieler Otman Bakkal vom PSV Eindhoven die Zähne in die Schulter rammte. Sieben Spiele Sperre. Ein Jahr später musste Suárez - nun schon in Diensten des FC Liverpool - wegen einer rassistischen Beleidigung von ManUnited-Profi Patrice Evra acht Spiele zuschauen. 2013 gab es sogar zehn Spiele, nachdem er Branislav Ivanovic vom FC Chelsea gebissen hatte.
Bei seiner dritten WM-Endrunde will Suárez nun endlich seiner Vorbildrolle gerecht werden. „Mir fällt schon auf, dass mich die jüngeren Spieler beobachten“, berichtete er. Sollte Suárez sein Konto von 51 Länderspieltoren weiter aufstocken, könnte es für die Himmelblauen durchaus weit gehen. „Träumen darf und tut man immer groß“, sagte der Vollblutstürmer. „Aber wir müssen viele gute Tage haben, um die WM gewinnen zu können.“