Kunst am kahlen Kopf
Reporter unterwegs
Brasilien. In den Wochen einer Weltmeisterschaft reduzieren viele Berichterstatter ihre Bedürfnisse auf das Lebensnotwendige. Die Folgen sind mitunter verstörend. Wer ist eigentlich dieser Kerl mit den Augenringen, dem Fünftagebart und der Schnittlauchfrisur beim Frühstück?
Optisch geht es, wie im vorliegenden Fall eines lediglich spärlich bewachsenen Hauptes, nur noch um Grundordnung. Aber auch das kann gefährlich werden. Der letzte WM-Haarschnitt vor vier Jahren in Südafrika beispielsweise war von ständigem Knistern begleitet — bis dem Friseur die Stromschläge der Haarschneidemaschine selbst zuviel wurden.
Also schraubte der Mann, der im Hauptberuf offenbar Elektriker war, die Maschine auseinander, isolierte das Netzkabel und setzte sein Werk afrikanisch gelassen fort. Jazildo Portehlha Silva dagegen ist Friseur im Hauptberuf. Die Friseur-Stühle in dem kleinen Laden in Porto Seguro stammen zweifellos noch aus der Kolonialzeit. Jazildos Arbeitskleidung dagegen ist neuzeitlich: das rot-schwarze Trikot von Flamengo Rio de Janeiro.
Auf der Brust ein Autogramm von Flamengos legendärem Ballzauberer Zico, dessen Kunst sich der Cabeleirero auf seine Art verpflichtet sieht. Jazildo gibt auch dem Kahlköpfigen das Gefühl, als arbeite er an einer besonders aufwendigen Föhnfrisur. Für sein Kunstwerk nimmt er fünf Euro. Wenig Geld für viel Kultur.