Letztes WM-Testspiel: Pflichtsieg gegen Saudi-Arabien für die Mission
Weltmeisterlich ist es nicht, was die deutsche Nationalmannschaft beim 2:1 gegen Saudi-Arabien anbietet. Es gab laute Pfiffe gegen Ilkay Gündogan.
Leverkusen. Überschwängliche Freude kam nicht auf, als die deutsche Nationalmannschaft an diesem schwülwarmen Freitagabend in Leverkusen die Pflicht erledigt hatte: Eher zögerlich klatschten sich Thomas Müller und Toni Kroos ab, auch Jonas Hector und Mats Hummels brauchten ein bisschen für einen Handschlag. Der Weltmeister ringt um seine Form und stimmte sich letztlich nur mit einem mageren 2:1 (2:0) gegen Saudi-Arabien auf die Mission Titelverteidigung ein. Das Duell gegen den Weltranglisten-67., der bereits am Donnerstag das WM-Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Russland bestreitet, taugte eben nur bedingt als Gradmesser.
Nach dem fein herausgespielten 1:0 von Timo Werner (8.) unterlief dem saudischen Abwehrchef Omar Hawsawi beim 2:0 ein Eigentor (41.), wobei wieder der agile Werner die Vorarbeit geleistet hatte. Ein Elfmetergeschenk verhalf den Gästen zum 2:1, wobei Taiseer Al-Jassam erst im Nachschuss verwandelte (85.). Zu etlichen Unzulänglichkeiten im deutschen Team — das in der Nachspielzeit beinahe noch den Ausgleich kassiert hätte — kommen die Irritationen außerhalb des Platzes.
Saudi-Arabiens Taisir Al-Jassam (17) erzielt den Anschlusstreffer zum 2:1 nach einem Elfmeter. Guido Kirchner/dpa
Denn die Delegation wird weiter vom Ballast begleitet, weil die Irritationen um Mesut Özil und Ilkay Gündogan und ihren umstrittenen Besuch beim türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan beileibe nicht ausgestanden sind. Schon als sich Gündogan nach knapp einer Stunde zur Einwechslung bereit machte, erklangen deutliche Pfiffe, die lauter wurden, als der aus Gelsenkirchen stammende Deutsch-Türke aufs Feld lief oder fortan den Ball berührte. Übrigens in der Phonstärke deutlich hörbarer als vergangenen Samstag beim Test in Klagenfurt gegen Österreich.
Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff hatte am Vortag appelliert, dass die Fans den Teamgedanken in den Vordergrund stellen — offenbar ist die öffentliche Aufarbeitung des umstrittenen Fotoshootings nicht vollumfänglich überzeugend verlaufen. Mesut Özil, der wegen Rückenproblemen noch geschont wurde und in Südtirol den Medientag geschwänzt hatte, hätten womöglich noch lautere Unmutsäußerungen erreicht. Es half auch nicht, dass Bundestrainer Löw die Zuschauer animieren wollte, in die Hände zu klatschen: Konterkariert wurde mit dem lauten Missfallen das Plakat, das über der Fankurve prangte: „ZSMMN nach dem Stern greifen“.
Löw hatte eine Formation gewählt, die am übernächsten Sonntag im ersten WM-Gruppenspiel gegen Mexiko im Moskauer Luschniki-Stadion in weiten Teile so erwartet wird. Sein Comeback nach langer Zwangspause wegen einer Muskelverletzung gab Abwehrspieler Jérôme Boateng, der seit dem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid kein Pflichtspiel mehr bestritten hatte. Der Bayern-Star wirkte indes noch unsicher und behäbig und machte bereits zur Pause wieder für Niklas Süle Platz.
Überhaupt war die Abwehr wiederholt nicht auf der Höhe, zumal auch Teile des Mittelfelds die Rückwärtsbewegung verweigerten. Einmal hob Torwart Manuel Neuer vorwurfsvoll beide Hände in Richtung seiner Mitspieler, die sich solche Nachlässigkeiten auf WM-Niveau nicht erlauben dürfen. Wesentlich besser sah da schon das Vorwärtsspiel auf. Auf der linken Seite hatte Reus einige gute Szenen und Werner verdiente sich mit seinen Tiefenläufen ein Fleißkärtchen.
So fiel denn auch die frühe Führung: Nach einem öffnenden Pass von Joshua Kimmich legte Reus uneigennützig ins Zentrum, wo Werder die Kugel unter die Latte jagte. In der Folgezeit sorgten Pfostenschüsse von Reus (11.) und Sami Khedira (37.) für Aufsehen. Zwischenzeitlich ging der DFB-Auswahl allerdings die Zielstrebigkeit ab, wobei speziell Thomas Müller auf dem rechten Flügel zunächst wenig wirkungsvoll war, auch wenn sich die deutsche Nummer 13 kurzzeitig für das 2:0 feiern ließ, obwohl er den Ball ja nicht über die Linie gelenkt hatte.
Torwart Marc-Andre ter Stegen kam in der zweiten Halbzeit zum Einsatz. Foto: Marius Becker/dpa
Nach der Halbzeit kam für den aufmerksam mitspielenden Neuer noch einmal Marc-Andre ter Stegen zum Einsatz, der den unberechtigten Strafstoß von Mohammed Al-Sahlawi zunächst parierte. Einzige Höhepunkte aus deutscher Sicht im schwächeren zweiten Durchgang waren ansonsten die Direktabnahme des fleißigen Julian Draxler und Versuche von Müller, bei denen Keeper Abdullah Al-Muaiouf jeweils gut reagierte (50., 55. und 73.). Die deutschen Spieler genießen nun noch ein freies Wochenende. Dann treffen sich alle am Dienstag am Frankfurter Flughafen wieder, wo um 13 Uhr die Maschine LH 2018 nach Moskau abheben soll.