Frankreich und Belgien „Man liebt sich, aber man grätscht sich“
St. Petersburg (dpa) - Eigentlich mögen sie sich ja, die Franzosen und die Belgier. Und wer sich mag, der neckt und ärgert sich. Das ist bei diesen Nachbarn nicht anders. Im Gegenteil - es ist eher recht ausgeprägt.
Oder, wie die französische Zeitung „Le Parisien“ schrieb: „Zwischen diesen beiden Nachbarvölkern gibt es eine ewige Hassliebe: Man liebt sich, aber man grätscht sich.“ Besonders natürlich in Zeiten einer Fußball-Weltmeisterschaft.
Es ist das Spiel mit Klischees, das die beiden Nachbarn pflegen, das irgendwie auch gute und liebgewonnene Tradition geworden ist. „Wir finden die Franzosen oft anmaßend, und die Franzosen habe eine Tendenz, uns lächerlich zu finden, vor allem wegen unseres Akzents“, sagt Belgiens Premierminister Charles Michel. Auf beiden Seiten der gemeinsamen Grenze könne man mit Frotzelei, Spott und Humor aber gut umgehen.
2010 widmete der französische Regisseur Dany Boon die Komödie „Nichts zu verzollen“ dem Vorurteils-Doppelplass. Hier die „Fritten“, dort die „Camemberts“ im fiktiven belgisch-französischen Grenzort Courquain. Selbstironie sei auch eine geteilte Qualität, meint der Brüsseler Regierungschef Michel.
Vor allem die Sprache, die dem Franzosen so am Herzen liegt, ist eben diesem Franzosen auch gern Anlass für Lästereien. „Wir mögen uns“, schrieb die Sportzeitung „L'Equipe“ jüngst. Es gebe eine Vorliebe für Zärtlichkeiten - sogar mit den Flamen, die ja so eine lustige Sprache sprächen. Treffer.
Rund 600 Kilometer beträgt die tatsächliche Grenze zwischen der Republik Frankreich und dem Königreich Belgien. Fast 70 Millionen Einwohner zählt Frankreich, gut 11 Millionen sind es in Belgien. Hier das zentralistische Frankreich mit seinem Polit-Pathos für „Republik“ und „Nation“, die Französische Revolution mit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Dort das zwischen Flamen und Wallonen zerrissene Belgien.
Die einen sind berühmt für ihren Wein und die Haute Cuisine, die anderen für Bierkultur und Pommes, aber auch für Pralinen zum Dahinschmelzen. In Paris steht der alles überragende Eiffelturm, in Brüssel kennt jeder Tourist das Manneken-Pis. Dazu Asterix gegen Tim und Struppi, der belgische Chanson-Sänger Jacques Brel gegen den Franzosen Georges Brassens, die Lütticher Waffel gegen die bretonische Crêpe - fertig ist das Vorspiel.
Das diplomatische Vorab-Ergebnis vor dem WM-Halbfinale Frankreich gegen Belgien laut „Le Parisien“: „Letztlich unentschieden.“ Da passt es, dass auch die Regierungschefs vor dem Duell auf dem WM-Rasen von St. Petersburg an diesem Dienstagabend die Freundschaft beider Länder beschwören. Belgien sei „mehr als ein Nachbar, sogar etwas mehr als ein Freund“, sagte der französische Ministerpräsident Édouard Philippe dem „Journal de Dimanche“. „Wir haben mehr als eine Grenze gemeinsam: eine Geschichte, eine Kultur.“
Und auch ein gemeinsames Ziel, das so gar nichts mit Humor zu tun hat. Philippe erinnerte an ein ernstes Kapitel der jüngeren Geschichte: Die in den vergangenen Jahren verstärkte Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus. Denn die Terrorzelle der Pariser Anschläge vom November 2015 am Rand des Freundschaftsspiels Frankreich gegen Deutschland operierte von Belgien aus.