WM-Bilanz jenseits von Fußball Menschenrechte, Handel und Politik in Russland
Berlin (dpa) - Bei einer Fußball-Weltmeisterschaft geht es um viel mehr als Tore, Fouls und Nationalhymnen. Erst recht, wenn sie in Russland stattfindet.
Menschenrechtler protestierten heftig gegen den Gastgeber. Gastwirte und Handel hofften - wie vor jedem großen Turnier - auf ein gutes Geschäft mit Bier und Fanartikeln. Was wurde daraus? Eine Bilanz aus deutscher Sicht jenseits des Fußballs.
MENSCHENRECHTLER: Medien hätten die Gelegenheit genutzt, einen kritischen Blick auf das Gastgeberland zu werfen, sagt Peter Franck, Russland-Experte bei Amnesty International in Deutschland. An den Austragungsorten seien junge Menschen zu Wort gekommen, die sich für ein demokratisches und rechtsstaatliches Russland einsetzten. „Großartig war, dass die russische Bevölkerung durch das gemeinsame Feiern mit Fans aus aller Welt erfahren durfte, dass Russland nicht von Feinden umgeben ist, sondern es ein „Wir“ gibt, das auch über russische Grenzen hinweg reicht“, sagte Franck.
Kritischer bleibt der Lesben- und Schwulenverband: „Die FIFA hat bei der WM ihr Versprechen nicht eingelöst, die Achtung der Menschenrechte auch in Russland aktiv voranzutreiben und Diskriminierung (..) zu bekämpfen“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands. Die Organisatoren hätten es versäumt, sich aktiv gegen Menschenrechtsverletzungen und die anhaltende Diskriminierung und Anfeindung gegenüber Schwulen, Lesben und transgeschlechtlichen Menschen auszusprechen.
POLITIK: „Die WM hat für eine politische Verbesserung der Lage im Land oder in den Kriegen mit russischer Beteiligung nichts gebracht“, sagt der Osteuropa-Sprecher der Grünen-Fraktion, Manuel Sarrazin. Die FDP-Sportpolitikerin Britta Dassel sagt, Russland habe sich als „vorbildlicher Gastgeber“ gezeigt. Verbessert habe sich aber wohl kaum etwas. Beide Bundestagsfraktionen hatten zum Start des Turniers die Bundesregierung in Anträgen aufgefordert, das Thema rund um die WM verstärkt anzusprechen. Sarrazin ergänzt nun: „Außerhalb der Stadien gab es nicht nur WM-Spektakel, sondern neue politische Häftlinge, Krieg im Donbas und Syrien und weitere Gesetzesverschärfung gegen Medien und Zivilisten sowie massive Einschränkungen der Opposition.“
HANDEL: Eine durchwachsene WM-Bilanz zieht der deutsche Einzelhandel. „Natürlich hat die Weltmeisterschaft wie immer Zusatzimpulse für den Handel gebracht“, sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland (HDE). Der Lebensmittelhandel habe von der größeren Nachfrage nach Getränken, Snacks und Knabberzeug profitiert, andere Händler vom Verkauf von Fanartikeln, Bällen und T-Shirts oder von der gestiegenen Nachfrage nach neuen Fernsehgräten. „Natürlich gab es einen Euphorieknick, nachdem die deutsche Mannschaft raus war, aber vieles wurde ja schon vorher angeschafft“, sagt der Branchenkenner. Unter dem Strich habe der Handel letztlich deshalb doch von der WM profitiert.
BRAUEREIEN: Auch beim Deutschen-Brauer Bund hält sich das Jammern über das frühe Ausscheiden der deutschen Elf angesichts des anhaltend schönen Sommerwetters in Grenzen. Ein Verbandssprecher betonte, zwar werde während der großen Fußball-Events erfahrungsgemäß mehr Bier getrunken als sonst in den Sommerwochen üblich. Aber es gelte auch: „Ein guter Sommer ist immer noch der beste Garant für den Bierabsatz. Die sommerlichen Temperaturen im Mai und Juni haben die Nachfrage erheblich angekurbelt.“
GASTWIRTE: Sie hatten Leinwände aufgestellt, Kellner angeheuert und Bier gehortet. Doch nach dem Vorrunden-Aus der deutschen Mannschaft verlief die WM auch für die Gastwirte hierzulande eher enttäuschend. „Die Hoffnungen der Gastronomen auf deutlich höhere Umsätze durch die WM haben sich durch das frühe Ausscheiden der deutschen Mannschaft leider nicht erfüllt“, heißt es beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Die Bilanz der WM sei deshalb eher enttäuschend. „Bleibt zu hoffen, dass das gute Wetter weiterhin viele Menschen in die Biergärten, Strandbars und auf die Restaurant-Terrassen lockt.“