Messi und Co. feiern Final-Einzug

São Paulo (dpa) - Den Moment, auf den er sein ganzes Fußballer-Leben gewartet hatte, konnte Lionel Messi nicht einmal richtig genießen.

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Argentiniens Superstar steht am Sonntag gegen Deutschland endlich zum ersten Mal in einem WM-Endspiel, aber der Sieg im Halbfinal-Krimi gegen die Niederlande mündete für ihn im reinsten Stress. Erst hing der für viele beste Spieler der Welt schier endlos in der Dopingkontrolle fest. Dann schleusten ihn zwei Bodyguards eiligen Schrittes an mehreren hundert wartenden Journalisten vorbei zum Mannschaftsbus.

Viel Zeit zum Feiern hatte sein Trainer Alejandro Sabella den Argentiniern aber ohnehin nicht gewährt. Das Finale gegen Deutschland werde „extrem schwer“, klagte der Coach. „Wir haben einen Tag weniger zur Vorbereitung und dann auch noch eine Verlängerung sowie ein Elfmeterschießen in den Knochen.“

Sabellas Einschätzung passte so gar nicht zu den bunten Jubelbildern nach dem 4:2 im Elfmeterschießen gegen Robben und Co. Seine Spieler sprangen wie kleine Kinder über den Rasen der Arena São Paulo, sie schwenkten ihre blau-weißen Trikots und feierten Torwart Sergio Romero, der die Elfmeter von Wesley Sneijder und Ron Vlaar pariert hatte.

1700 Kilometer weiter südlich in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires bot nicht einmal die 140 Meter breite „Avenida 9 de Julio“ genug Platz für die Massen feiernder Fans. Der erste Final-Einzug seit 24 Jahren fiel genau auf den Unabhängigkeitstag 9. Juli. „Wir haben gelitten und sind angekommen“, schrieb die Zeitung „Página/12“. Und „La Nación“ meinte: „Ja, die Nationalelf steht vor dem Spiel, von dem sie seit langem träumte.“

Trotzdem schwang überall in dieser Freude noch etwas anderes mit: Der große Respekt, um nicht zu sagen: die Angst vor dem Endspiel-Gegner Deutschland. „Sie sind der Favorit“, sagte Argentiniens heimlicher Kapitän Javier Mascherano. „Sie kommen mit sehr viel Schwung und Selbstvertrauen, schließlich haben die gerade den Gastgeber und großen Favoriten dieses Turniers demontiert.“

Der Mittelfeld-Chef vom FC Barcelona war sowohl beim 0:4-Debakel gegen Deutschland bei der WM 2010 schon dabei als auch beim anderen Viertelfinal-Aus 2006 in Berlin. „Aber das ist keine Revanche für uns. Nur eine vielleicht einzigartige Chance“, betonte Mascherano. Immerhin meinte auch Argentiniens Legende Diego Maradona: „Deutschland ist nicht unschlagbar.“

Der einzige, der zu all dem kein einziges Wort sagte, war Messi. Im Mannschaftsbus angekommen, stellte er noch ein Foto von der Dopingkontrolle und ein paar Zeilen auf seine Facebook-Seite. „Wir sind im Finale!! Was für ein Wahnsinn. Was für ein heldenhaftes Spiel“, schrieb der Superstar. Ansonsten galt auch bei ihm: Volle Konzentration auf das Endspiel am Sonntag.

Um einen Eindruck von Messis Gefühlslage zu bekommen, reicht aber auch schon ein kurzer Blick in die Geschichte des argentinischen Fußballs. Die wurde vor allem von Maradona geprägt, der zunächst 1986 ein WM-Endspiel gegen Deutschland gewann (3:2) und 1990 in Rom ein weiteres verlor (0:1). Seitdem muss sich jede Generation an Maradonas Erfolgen messen lassen - sogar und vor allem Messi. Argentiniens neue Nummer 10 gewann zwar schon dreimal die Champions League und viermal die Weltfußballer-Wahl. Aber er gewann eben noch nie den WM-Titel. „Ich würde alle meine persönlichen Rekorde hergeben, um Weltmeister zu werden“, sagte Messi. Jetzt hat er endlich die Chance dazu.

Wie groß diese Chance ist, daran scheiden sich bei dieser WM auch nach sechs von sieben argentinischen Spielen die Geister. Belgiens Trainer Marc Wilmots sagte nach dem 0:1 im Viertelfinale: „Das ist eine gewöhnliche Mannschaft.“ Allerdings hat sich diese Mannschaft in Brasilien von Spiel zu Spiel gesteigert. Sie lässt sich kaum aus der Ruhe bringen und ist deutlich besser organisiert als jenes nicht einmal groß anders besetztes Team, das 2010 in Südafrika mit 0:4 gegen Deutschland verlor. „Wir spielen mit unserem Herzen und unserer Seele - aber auch mit viel taktischer Intelligenz“, sagte Mascherano.

Ob das gegen Deutschland reicht? Argentiniens Trainer tauchte am Ende noch einmal ganz tief in die deutsche Fußball-Geschichte ein. „Beckenbauer, Netzer, Schuster, Matthäus“, schwärmte Sabella. „Immer wenn deutsche Mannschaften die Chance haben, Geschichte zu schreiben, haben sie Spieler mit einem fast schon südamerikanischen Touch im Team.“ Für den Gegner am Sonntag gilt das besonders. Diese deutsche Mannschaft hat Toni Kroos oder Thomas Müller im Team. Die spielen manchmal sogar so südamerikanisch wie Messi.