Weltmeister Nach WM-Aus gegen Frankreich: Einige Belgier zeigen sich als schlechte Verlierer

St. Petersburg. Eigentlich wäre Thierry Henry ja ein prima Beispiel gewesen, wie sich ein guter Verlierer verhält. Kaum war in der gewaltigen Kathedrale auf der Krestowski-Insel der Schlusspfiff ertönt, machte sich der Assistenztrainer der belgischen Nationalmannschaft mit missionarischem Eifer ans Werk.

Thierry Henry, Assistenztrainer von Belgien (M) tröstet nach der 1:0 Niederlage Eden Hazard.

Foto: Petr David Josek

Um schon direkt auf dem Platz Trost zu spenden. Erst ging er zum Torjäger Romelu Lukaku, der Löcher in die Luft starrte, als böte der kleine Teil des offenen Daches eine Erklärung fürs verpasste WM-Finale an. Bald waren die anderen Verlierer an der Reihe, die zwar feuerrote Trikots trugen, aber deren Gesichter merkwürdig blass wirkten. Henry, Rekordtorschütze der französischen Nationalmannschaft, der in seiner aktiven Karriere alle Endspiele erlebt und davon auch einige verloren hat, schien die Geste wichtig, an Ort und Stelle den Anstand zu wahren.

Und so passierte es fast zwangsläufig, dass ihn irgendwann auch Didier Deschamps umarmte, der Nationaltrainer Frankreichs. Henry, 40, und Deschamps, 49, hatten ihren Rollen erheblichen Anteil am Weltmeistertitel der Grande Nation 1998, und wie die beiden gleich ihren Frieden miteinander machten, hätte als Bild vom Nachbarschaftsduell in St. Petersburg bleiben können.

Zumal auch Belgiens Nationalcoach Roberto Martinez erst einmal nur feststellte: „Wir wollten das Turnier gewinnen. Das ist für uns eine Enttäuschung. Es schmerzt, wenn der Unterschied ein Standard ist.“ Oder die besagten Zentimeter im Kopfballduell, das Marouane Fellaini gegen Samuel Umtiti verlor.

Doch wie schon vor zwei Jahren beim Viertelfinalaus gegen Wales im französischen Lille wollte Torwart Thibaut Courtois auch die Halbfinalniederlage gegen Frankreich in der russischen Zarenstadt nicht einfach so akzeptieren. „Sie spielen nur Anti-Fußball“, ätzte der fast zwei Meter große Hüne. „Ich wäre lieber gegen Brasilien rausgeflogen. Die wollten wenigstens Fußball spielen. Es ist frustrierend. Sie waren nicht besser als wir.“ Ähnlich unversöhnlich äußerte sich Kapitän Eden Hazard: „Ich würde lieber mit diesem belgischen Team verlieren als mit diesem französischen gewinnen.“

Die beim FC Chelsea angestellten Courtois und Hazard als Wortführer im belgischen Tross müssen vielleicht noch mal ihren Klubkollegen Olivier Giroud und N’Golo Kanté erklären, was sie mit solchen Vorwürfen bezwecken wollten. Sie lenkten davon ab, dass Belgien den Schlüssel für das Endspiel im Moskauer Luschniki-Stadion verlegt hatte. Zwar verbuchten die Roten Teufel 60 Prozent Ballbesitz, spielten 629 Pässe, die Bleus nur 342. Aber seit wann zählen solche Statistiken?

Zumal: Weder der wuchtige Mittelstürmer Lukaku, noch der famose Dribbler Hazard — abgesehen von den ersten 20 Minuten — und erst recht nicht der hoch gelobte Kevin De Bruyne hatten eine Lösung parat, wie zweite Halbzeit dem französischen Sperrriegel beizukommen war.

Wenn die tapferen Belgier bisher als Asterix-Wiedergeburten einen Zaubertrank nutzten, dann war es ausgerechnet gegen Frankreich der falsche. Was auch deshalb ärgerlich schien, weil ihr Stammquartier der Moskauer Country Club ist: Das wäre für die Vorbereitung aufs große Finale am Sonntag im Luschniki der perfekte Ort gewesen.

Stattdessen ist es nur das kleine Finale geworden. Samstag erneut in St. Petersburg. Europäische Kunstliebhaber, die am liebsten eine Woche nur in der Eremitage zubringen würden, können diese Stadt vielleicht nicht oft genug besuchen, aber bei den belgischen Fußballern muss definitiv noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.

„Dritter bei einer WM zu werden, das passiert nicht so oft. 1986 war Belgien nur Vierter. Wir müssen uns also vorstellen, das wird am Samstag ein wichtiges Spiel“, sagte Martinez. Dem entlarvenden Unterton ließ der 44-Jährige ein ehrliches Geständnis folgen: „Es wird schwierig, sich darauf einzustellen. Es ist nicht das Spiel, das wir spielen wollten.“ Immerhin versprach der Spanier aufrichtig: „Wir werden nach St. Petersburg zurückkommen.“ Vielleicht sollte der Seelentröster Thierry Henry vorher noch eine Runde machen.