WM in Russland Niederlage gegen Mexiko: Weckruf oder Vorbote des Super-GAUs?
Da standen sie nun alle nach der Partie, tief unten in den Katakomben des Luschniki-Stadions — und wähnten sich im falschen Film. Deutschland verliert das WM-Auftaktspiel 1:0 gegen Mexiko — war das echt passiert?
Moskau. „So haben wir sie noch nie spielen sehen“, sagte etwa Oliver Bierhoff über den Auftritt Mexikos — und es klang beim auch in der Stunde der Niederlage smart auftretenden DFB-Teammanager echte Verwunderung durch über einen Gegner, der nicht wie sonst früh aggressiv attackiert, sondern sich tief zurückgezogen hatte. „Das war ganz anders, als wir es uns vorgestellt haben: Die haben nur gewartet, bis wir Fehler machen“, sagte auch Marco Reus, den so viele in der Startelf erwartet hätten.
Bis zur Einwechslung des Dortmunders hatte Deutschland so viele Fehler gemacht, dass die Partie längst entschieden hätte sein müssen. Nur der Tatsache, dass Mexikos Offensive um den Ex-Leverkusener Chicharito seine vielen Konter höchst schlampig ausspielte, hatte das Löw-Team überhaupt im Spiel gehalten. Deshalb wurde Mats Hummels deutlich: „Wir haben wie gegen Saudi-Arabien gespielt. Oft waren nur Jérôme Boateng und ich hinten. So haben sie uns gnadenlos ausgekontert“, sagte der Innenverteidiger.
Die vielen Defizite in ihrem Spiel hatten die Schützlinge von Bundestrainer Joachim Löw durchaus erkannt, auch wenn sie diese eher zurückhaltend benannten. „Wir hatten zu viele einfache Ballverluste“, sagte Joshua Kimmich. „Wir haben ihnen zu viele Räume für Konter gegeben“, ergänzte Thomas Müller. „Wir sind nicht mehr hinter den Ball gekommen“, stellte Timo Werner fest. Mit dem Anspruch, deutlicher zu formulieren, hätten sie auch sagen können: Wir waren unkonzentriert (Fehlpässe), nachlässig (Räume) und faul (nicht hinterhergelaufen).
Nun muss man Müller und Co. nicht vorwerfen, dass sie angesichts der versammelten Weltpresse diplomatischere Worte verwenden. Zur Wahrheit gehört auch, dass Mexiko mit beeindruckender Leidenschaft und technischer Präzision spielte — und „diesen Zwischenspieler hatte, der nach Ballgewinnen das Leder nach vorne treibt“, wie Reus von draußen gesehen hatte. Er meinte Carlos Vela, den 29-Jährigen vom Los Angeles FC, der während seines einstündigen Auftritts Sami Khedira und Toni Kroos mit Körpertäuschungen und Vollsprints regelmäßig überrannte — obwohl er im Gegensatz zu den Deutschen den Ball dabei hatte.
Selten ist eine deutsche Elf sogar über das Zentrum so leicht überrannt worden — eine Tatsache, an der Löw und Co. arbeiten müssen, wollen sie das schnelle Aus bei dieser WM vermeiden. „Ich bin überzeigt, dass wir eine Reaktion zeigen können“, sagte der Bundestrainer, der tags zuvor aber auch Zuversicht gezeigt hatte, dass der WM-Start wie zuletzt stets gelingen werde. „Ich verstehe nicht ganz, warum wir so gespielt haben, weil wir gegen Saudi-Arabien im Test schon einen Schuss vor den Bug bekommen hatten“, sagte Hummels und forderte: „Wir müssen jetzt zwei Spiele gewinnen, sonst war es das mit der WM.“ Damit das aber gelingt, müssen bemerkenswert viele Schrauben gedreht werden, wie die Fußballer zugaben.
„Das ist jetzt eine Mentalitätsfrage“, wusste Joshua Kimmich, dass jeder Spieler mehr von seinem Leistungspotenzial abrufen muss. Ansätze bezüglich des statisch-trägen eigenen Offensivspiels bot der eingewechselte Julian Brandt an: „Wir müssen selbst mal schneller umschalten, aktiver sein und nicht so schläfrig.“ Aufwachen eben.