Nigerias Trainer Keshi schon unter Beschuss
Curitiba (dpa) - Der Schuldige für den müden WM-Start von Afrikameister Nigeria war schnell gefunden.
„Keshi sollte für die Spielweise verantwortlich gemacht werden. Seine Wechsel waren schwach. Vor dem Spiel hat er gesagt, dass afrikanische Teams taktisch nicht diszipliniert sind. Ich habe nichts Neues gesehen“, schimpfte der frühere Bundesligastar Jay Jay Okocha nach der langweiligen Nullnummer im ersten WM-Gruppenspiel der „Super Eagles“ gegen Außenseiter Iran in Curitiba auf den einst gefeierten Erfolgstrainer Stephen Keshi, mit dem er bei der grandiosen Fußball-WM 1994 noch zusammengespielt hatte.
Und auch in den heimischen Medien war der Kredit des Trainers, der Nigeria im vergangenen Jahr noch überraschend zum ersten Gewinn des Afrika-Cups nach 19 Jahren geführt hatte, schnell aufgebraucht. „Stephen Keshi ist der falsche Coach für die WM“, schrieb die Zeitung „Vanguard“ nach dem Remis beim Gruppenauftakt in der Arena da Baixada. Die harschen Reaktionen waren aber wohl in erster Linie Ausdruck der großen Enttäuschung, nachdem das Team mit so großen Erwartungen nach Brasilien gefahren war. Doch anstelle des fest eingeplanten Startsieges gegen den Außenseiter wartet Nigeria weiter auf einen Erfolg bei der WM seit 1998.
Die Afrikaner müssen sich nach dem Ausrutscher gegen den als am schwächsten eingeschätzten Kontrahenten nun gegen Bosnien-Herzegowina gewaltig steigern, um ihr Minimalziel Finalrunde nicht vorzeitig zu verpassen. „Wir müssen nach vorne denken“, forderte Keshi und versicherte, sich gegen das Team um Vedad Ibisevic und Topfavorit Argentinien „besser vorzubereiten“.
Ungeduldig, aber auch ohne echten Plan stürmte Nigeria nach vorn. Dabei scheiterten die Spieler immer wieder an der eigenen Abschlussschwäche oder dem iranischen Bollwerk. „Es war einfach frustrierend. Die standen mit elf Mann hinten“, mokierte sich John Obi Mikel über die defensiv ausgerichteten Iraner. „Sie wollten uns frustrieren und wir sind alle enttäuscht.“ Der Star vom FC Chelsea war nicht der erhoffte Ideen- und Taktgeber und passte sich dem schwachen Niveau seiner Kollegen an.
Neben der eigenen Ungeduld kritisierte Keshi auch die Mauertaktik der asiatischen Nummer 1: „Die machten keine Anstrengungen für die Offensive.“ Zugleich erklärte der Coach, man müsse dem Iran „Respekt erweisen. Sie hatten einen Plan und den auch umgesetzt.“
Überrascht konnte Keshi davon eigentlich nicht sein. Schließlich hatte Irans Trainer Carlos Queiroz diese defensive Taktik gleich mehrfach angekündigt. „Man muss unsere Leistung vor dem Hintergrund sehen, dass unsere Spieler nicht bei Real Madrid, Liverpool oder Chelsea spielen.“ Sie seien teilweise sogar Amateure. „Ich muss meine Spieler loben“, sagte der Portugiese. „Sie verdienen Sympathie und Respekt. Wir haben Grund zum Feiern.“ Zugleich wies er auf finanzielle, strukturelle und verbandspolitische Probleme hin: „Wir haben nicht die gleichen Voraussetzungen wie andere Teams.“
In der Heimat wurde der Coach für das Ergebnis gefeiert. „Stolz auf unsere Jungs, die den ersten Punkt gesichert haben - hoffentlich der erste von vielen, die noch kommen“, twitterte Staatspräsident Hassan Ruhani, der das Spiel auf dem heimischen Sofa in Trainingshose verfolgte. Auch das Parlament bedankte sich bei Trainern und Spielern, dass diese die Ehre des Irans verteidigt hätten. „Ein Prestige-Punkt für die iranischen Panther - so wichtig wie ein Sieg“, schrieb die Nachrichtenagentur Fars.
Dass es von den Tribünen wegen der destruktiven Spielweise immer wieder gellende Pfiffe gehagelt hatte, störte Queiroz nicht im Geringsten. „Ich gehe lieber mit einem Punkt und Buhrufen als mit Applaus und einer Niederlage“, sagte er gelassen.