Oranje setzt auf Lehrlingsmodell

Rio de Janeiro (dpa) - Der Nach-Nachfolger von Louis van Gaal verfolgt die Arbeit des niederländischen Nationaltrainers ganz genau. Im Einheitsoutfit - häufig weißes Hemd mit orangefarbener Krawatte - sitzen der Bondscoach und sein Assistent Danny Blind in Brasilien nebeneinander auf der Bank.

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Im Anschluss an die Zwischenlösung Guus Hiddink soll der frühere Verteidiger dann nach der EM 2016 endgültig die Geschicke der Elftal hauptverantwortlich lenken. „Die nächsten zwei Jahre hat er die Chance, unter Hiddink weiter zu wachsen“, erklärte Verbands-Direktor Bert van Oostveen die bemerkenswerte Regelung.

Mit dem wohl einzigartigen Langfrist-Lehrlingsmodell soll die Kontinuität gewahrt bleiben - bevor Blind übernimmt, gibt es zumindest beim Charakter der Trainer aber einen deutlichen Bruch. „Van Gaal und ich sind total unterschiedliche Persönlichkeiten. Ich könnte nie so arbeiten wie er“, wehrte Hiddink einmal jeden menschlichen Vergleich ab. Der weltoffene Hiddink wurde in Südkorea und Australien nach erfolgreichen WM-Qualifikationen von der Öffentlichkeit verehrt, mit seiner selbstgerechten Art eckte van Gaal hingegen mehr als einmal an.

Da Hiddink in Russland (WM 2010) und der Türkei (EM 2012) zuletzt jedoch jeweils den angestrebten Sprung zum großen Turnier verpasste, stieß seine befristete Anstellung im niederländischen Trainerkreis nicht überall auf Gegenliebe. „Er ist nie ein Erneuerer gewesen. Er hat nicht mehr die Energie von früher“, kritisierte sein ehemaliger Kollege Co Adriaanse.

Ajax Amsterdams Coach Frank de Boer kennt sowohl van Gaal, der nach der WM zu Manchester United wechselt, als auch Hiddink aus seiner früheren Rolle als Spieler und kann die zu erwartenden Unterschiede für die Elftal einschätzen. „Ich finde, dass van Gaal der viel bessere Trainer als Guus Hiddink ist“, erklärte de Boer. „Ich kann mich nicht erinnern, was Hiddink uns taktisch bei der WM 1998 gelehrt hat.“ Van Gaal (62) hingegen könne als „Manager“, also in der Menschenführung, noch einiges von seinem fünf Jahre älteren Nachfolger lernen.

Mit Hiddink, der Oranje bereits zwischen 1994 und 1998 betreut hat, macht der niederländische Verband wohl eher einen Schritt zurück - mit Blind soll dann der Sprung in die Zukunft gelingen. Bei seiner Premierenstation als Profi-Trainer gewann dieser zwar den nationalen Pokal mit Ajax Amsterdam, musste aber 2006 als Ligavierter nach nur einem Jahr wieder gehen. Zunächst zog sich Blind aus der ersten sportlichen Reihe zurück und wurde Technischer Direktor bei Sparta Rotterdam.

Unter Marco van Basten arbeitete er erneut für Ajax als Manager, und lernte von den Trainern Martin Jol und Frank de Boer. Einen Machtkampf mit Johan Cruyff verloren sowohl van Gaal als auch Blind, beide gingen zum niederländischen Verband.

Die Ausgangslage für die nächsten Jahre erscheint auf den ersten Blick verheißungsvoll: Mit einem Durchschnittsalter des WM-Kaders von 26 Jahren droht vorerst keine Überalterung. Van Gaal hat in Memphis Depay (20), Stefan de Vrij (22) oder Bruno Martins Indi (22) mögliche Leistungsträger schon integriert. Allerdings wäre das Angriffstrio Arjen Robben, Wesley Sneijder und Robin van Persie sowie auch Klaas-Jan Huntelaar bei der WM 2018 bereits jeweils 34 Jahre alt - und damit deutlich über seinen Zenit hinaus.

Eine der künftigen Stützen findet Blind in der eigenen Familie. Der 24 Jahre alte Abwehrspieler Daley stand vor dem Halbfinale gegen Argentinien bei der WM stets in der Startelf und agierte im Gegensatz zu seinem Vater nicht als Abwehrchef, sondern als flexibler Außenverteidiger auch mal im Mittelfeld. „Natürlich bin ich stolz, aber ich kann das prima trennen“, erklärte der 52-Jährige. Am Zuckerhut grüßte das Duo auch schon von gemeinsamen Foto mit der Christus-Statue im Hintergrund. Bei allem WM-Stress unterlief Daley jedoch auch ein Fauxpas. „Ich habe es vergessen“, gestand der Sohn nach dem Vatertag, an dem es kein Präsent gegeben hatte. „Ich habe nichts gemacht.“