Oranje-Stars entzaubern Weltmeister Spanien
Salvador (dpa) - Arjen Robben und Co. lagen sich noch lange nach Abpfiff in den Armen, Bondscoach Louis van Gaal schaute nach dem 5:1 (1:1) fast ungläubig auf die Anzeigetafel. Die spanischen Helden von 2010 waren dagegen nach einer beispiellosen Demütigung blitzschnell in die Kabinen verschwunden.
Mit einem berauschenden Fußballfest haben die Oranje-Stars um den überragenden Robben in Salvador den völlig indisponierten Welt- und Europameister mit einem sensationellen 5:1 (1:1) entzaubert und sich im ersten Gruppenspiel der WM-Endrunde in Brasilien für das Final-Trauma von 2010 eindrucksvoll gerächt.
„Dafür lebt man, dafür spielt man Fußball. Das können wir genießen. Ich hatte immer Vertrauen in diese Mannschaft. Wir können schon etwas. Wir müssen nur daran glauben“, schwärmte der zweifache Torschütze Robben und Kapitän Robin van Persie ergänzte: „Es ist unglaublich. Für die ganze Niederlande ist ein Traum wahr geworden. Ich kann es nicht erklären, aber es ist fantastisch. Niederländer, geht auf die Straßen. Das müsst ihr genießen.“
Den Spaniern droht dagegen nach der höchsten Auftakt-Niederlage eines Weltmeisters in der so hochkarätig besetzten Gruppe B mit den weiteren Gegner Chile und Australien gar das Aus in der Vorrunde. Zumal vom Glanz des Welt- und Europameisters nicht mehr viel übrig geblieben war. Insbesondere Casillas war nur noch ein Schatten vergangener Tage, dazu präsentierte sich die einstige Parade-Abwehr um Sergio Ramos als ein Torso.
„Wir haben verloren, das müssen wir akzeptieren. In der zweiten Halbzeit gab es viele, viele Fehler. Die Euphorie hat die Niederlande getragen. Wir waren verunsichert. Wir haben uns in die schwierige Situation selbst gebracht“, sagte Trainer Vicente Del Bosque. Hollands Kapitän Robin van Persie konnte es dagegen lange nach Spielschluss immer noch nicht fassen, was da in Salvador geschehen war: „Es ist unglaublich. Für die ganze Niederlande ist ein Traum wahr geworden. Ich kann es nicht erklären, aber es ist fantastisch.“
Je zweimal van Persie (44. und 72. Minute) und Arjen Robben (53. und 80.) sowie Stefan de Vrij (64.) schossen den Sieg der Niederländer vor 48 173 Zuschauern in der Arena Fonte Nova heraus, die vier Jahre zuvor noch nach dem 0:1 im Finale von Johannesburg bittere Tränen geweint hatten. Dabei war der Welt- und Europameister nach einem fragwürdigen Elfmeterpfiff durch Xabi Alonso in Führung gegangen, hatte sich dann aber mit haarsträubenden Fehlern selbst aus dem Spiel genommen. Nur einmal hatte Spanien bei einer WM mehr Gegentore kassiert (1950 beim 1:6 gegen Brasilien).
Die Holländer spielten sich dagegen in der zweiten Halbzeit angeführt vom bärenstarken Robben in einen Rausch. Für den Münchner Stürmerstar dürfte es eine besondere Genugtuung gewesen sein, nachdem er vor vier Jahren noch die große Chance zur Führung liegen gelassen hatte.
Mit sieben Spielern aus der Final-Elf von Johannesburg startete Spanien in die Copa 2014 und agierte dabei im gewohnten Tiki-Taka mit schnellen, kurzen Pässen. Ein neues Gesicht im Vergleich zu den vergangenen Großturnieren war Stoßstürmer Diego Costa, der zunächst durchaus zu überzeugen wusste, obwohl er als gebürtiger Brasilianer bei jedem Ballkontakt von seinen Landsleuten ausgepfiffen wurde. Die Niederländer, die von Bondscoach eine defensive Taktik im 5-3-2-System verordnet bekamen, setzten dagegen auf schnelle Konter und waren dabei durchaus gefährlich - insbesondere wenn das Offensiv-Trio Robben, van Persie und Wesley Sneijder in Fahrt kam.
Die erste Chance hatte auch der unterlegene Finalist von 2010. Nach feinem Pass von Robben war Sneijder frei vor Casillas (8.), doch der Schuss des WM-Helden von 2010 war aber zu unplatziert und somit für den viermaligen Welttorhüter leichte Beute. Danach übernahm Spanien zunehmend die Kontrolle. Andres Iniesta mit einem Schuss aus 20 Metern (10.) und Costa (13.) sorgten erstmals für Gefahr.
So kam der Führungstreffer von „La Roja“ nicht von ungefähr, wenngleich die Elfmeter-Entscheidung des Italieners Nicola Rizzoli zweifelhaft war. Costa hatte im Strafraum Stefan de Vrij aussteigen gelassen, war dem am Boden liegenden niederländischen Verteidiger dann aber auf das Bein gestiegen und so zu Fall gekommen. Und hätte David Silva kurz vor der Pause nicht die riesige Chance der Spanier bei einem Lupfer zum 2:0 vergeben, das Spiel hätte wohl kaum einen derartigen Verlauf genommen.
Quasi im Gegenzug traf van Persie zum Ausgleich, woraufhin der Torjäger sofort zu van Gaal, der ihn auch in der kommenden Saison bei Manchester United betreuen wird, sprintete und ihn abklatschte. Vorausgegangen waren aber große Unstimmigkeiten in der spanischen Hintermannschaft, die erstmals nach 476 Minuten wieder bei einer WM einen Gegentreffer hinnehmen mussten. So hatte Sergio Ramos, der vor gut drei Wochen noch der große Anführer von Real Madrid beim Champions-League-Sieg war, van Persie ziehen lassen, während Casillas viel zu weit vor seinem Tor stand.
Und es kam noch schlimmer für die erfolgsverwöhnte Elf von Vicente Del Bosque. So traf erst Robben, der Ramos und Gerard Pique alt aussehen ließ, zur niederländischen Führung (53.). Dann erhöhte de Vrij gar auf 3:1 per Kopf (64.). Dazwischen und danach hatte van Persie mit einem Lattenschuss (60.) und einer weiteren Großchance (68.) weitere Top-Chancen vergeben. In der 72. Minute war der United-Angreifer aber zur Stelle, als sich Casillas einen kapitalen Fehler leistete. Anschließend legte Robben ein traumhaftes Solo über den Platz hin und vollendete das Freudenfest in orange.