Rasierklinge und Ausschluss: Chiles größter Skandal 1989
Belo Horizonte (dpa) - Selbst martialischste Kampfansagen vor dem ersten Südamerika-Gipfel bei der WM in Brasilien zwischen dem Gastgeber und Chile können die Bilder vor 25 Jahren kaum überbieten. Rauch, Blut, und Spieler, die ihren verletzten Torwart vom Feld tragen.
Der Schiedsrichter brach die Partie ab. Der 3. September 1989 wurde zum dunkelsten Kapitel für Chiles Fußball.
Wie sich einen Tag später herausstellte, war Torwart Roberto Rojas blutende Wunde nicht durch den Feuerwerkskörper verursacht worden, der neben ihm im legendären Estádio do Maracanã von Rio de Janeiro gelandet war. Rojas hatte sich die Wunde durch eine im Torwarthandschuh versteckte Rasierklinge selbst zugefügt.
„Ich habe keine Probleme, darüber zu reden“, sagte Rojas jüngst der brasilianischen Presse, „weil ich es vor 20 Jahren schon bedauert habe“. Rojas war damals 32 Jahre alt, seine Karriere hatte er sich selbst zerstört. Er wurde nach dieser Unsportlichkeit zunächst lebenslang gesperrt. Wie Mitspieler Fernando Astengo später auch zugab, war der Plan für die Aktion in der Vorbereitung zustande gekommen.
Die Qualifikationspartie war beim Stand von 1:0 abgebrochen worden, nachdem sich Chiles Spieler geweigert hatten, auf den Platz zurückzukehren. Das Spiel wurde nach dem Geständnis mit 2:0 für Brasilien gewertet. Chile verpasste dadurch die WM 1990 in Italien und wurde für die Endrunde 1994 in den USA gesperrt. „Das war ein Moment in meinem Leben, der nun Vergangenheit ist“, sagte Rojas, der im August 57 Jahre alt wird.
Er lebt weiterhin in dem Land, in dem er seine Karriere so jäh beendet hatte. Noch bevor er 2003 begnadigt wurde, hatte er als informeller Torwarttrainer seines letzten Clubs FC São Paulo gearbeitet. Im Jahr der Aufhebung seiner Sperre wurde er dort sogar Cheftrainer und schaffte mit dem Club die Teilnahme an der Copa Libertadores. Mittlerweile ist Rojas in der Öffentlichkeit kaum zu sehen. Er muss viel Zeit im Krankenhaus verbringen, der ehemalige Profi-Fußballer wartet auf eine Lebertransplantation.
Kurze Berühmtheit erlangte auch die Frau, die den Feuerwerkskörper auf den Rasen warf. Rojas war aber nicht garnicht getroffen worden. Dennoch sackte er zu Boden, hielt sich die Hände vors Gesicht und wurde blutend von seinen aufgebrachten und aufgeregten Mitspielern vom Platz getragen. Die Werferin Rosenery Mello do Nascimento hatte sich wenig später einen Platz in der lokalen Ausgabe des Männermagazin „Playboy“ ergattert. Sie starb 2011 mit nur 45 Jahren.