Vor Spitzenspiel gegen Spanien Real-Superstar Ronaldo: Keine Gnade für Legende Hierro?

Sotschi/Krasnodar (dpa) — Cristiano Ronaldo wird kein Pardon für Real-Legende Fernando Hierro kennen. Der Superstar und Weltfußballer könnte beim ersten WM-Schlager zwischen Portugal und Ex-Weltmeister Spanien der große Profiteur vom Trainer-Chaos beim Nachbarn sein.

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Vor zwei Jahren wurden die Portugiesen Europameister, nun wollen sie die Weltbühne erobern. Ein Coup gegen das aufgewühlte Team von Interimscoach Hierro wäre der erste kleine Schritt für Real-Stürmer Ronaldo auf dem Weg zur größten sportlichen Wunscherfüllung.

„Wir werden dasselbe tun wie 2016: bis zum Ende kämpfen und sehen, was passiert“, kündigte Ronaldo ungeachtet der brisanten Situation für Hierro an. Spanien hat einen Erfolgsweg vorgezeichnet: La Roja wurde 2008 und 2010 erst Europa- und dann Weltmeister, ehe 2012 sogar ein weiterer EM-Titel folgte. Und für 2018 galten sie als einer der Topfavoriten unter Trainer Julen Lopetegui - bis dieser am Mittwoch überraschend gehen musste.

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Dass das Einfluss auf die Partie am Freitag (20.00 Uhr) haben könnte, glaubt Portugals Coach Fernando Santos nicht. „Das zählt nicht für das Spiel morgen. Spanien will gewinnen und das können sie auch. Aber genau das wollen wir auch“, sagte der 63-Jährige. „Spanien spielt seit zehn Jahren den gleichen Stil. Darum wird es meiner Meinung nach keine Überraschungen geben.“

Neu-Coach Hierro, bei seiner Ankunft in Russland noch Spaniens Sportdirektor, betonte bei seinem Blitz-Amtsantritt rund 48 Stunden vor der Partie in Sotschi: „Ich werde nicht in zwei Tagen alles einreißen, was in zwei Jahren aufgebaut wurde.“

Ronaldo kann aber dafür sorgen, dass es noch mehr kriselt beim Ex-Weltmeister. Sein Real-Kollege Sergio Ramos, Kapitän der spanischen Nationalmannschaft, hat das Team und die Anhängerschaft demonstrativ zur Geschlossenheit aufrufen müssen.

Viele Spieler wollten nach übereinstimmenden Medienberichten Lopetegui, unter dem sie 20 Partien nicht verloren hatten, behalten. Doch der neue Verbandsboss Luis Rubiales fühlte sich von Real-Präsident Florentino Pérez respektlos behandelt, als Lopetegui seine Ausstiegsklausel zog und seinen Vertrag für die neue Saison mit Real Madrid perfekt machte. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Wechsel-Sensation geriet zum Streitfall: Peréz demonstrierte Rubiales und dem ganzen Land, dass für ihn nicht die Auswahl die Nummer 1 der Fußball-Nation ist - sondern Champions-League-Sieger Real.

Hierro, einst eisenharter Verteidiger im Nationalteam und bei Madrid, stieg so urplötzlich zum Chefcoach auf - und muss nun die Lager aus Real-Profis wie Ramos und Isco sowie Barcelona-Spielern wie Andrés Iniesta, Gerard Piqué und Sergio Busquets zusammenhalten. Der 50-Jährige ließ nach den „schlimmsten 19 Stunden der Selección“ (Sportblatt „Marca“) erstmal einen dreiköpfigen Assistentenstab einfliegen - mit Lopetegui war das gesamte bisherige Trainerteam nach Hause geflogen.

Hierro will - natürlich - nur nach vorne schauen und erklärte das mehrfach so: Man müsse „den Chip tauschen“. „Wir verrennen uns, wenn wir an die Vergangenheit denken. Wir sind hier, damit wir um den Titel kämpfen. Eine Weltmeisterschaft kommt erst in vier Jahren wieder.“

Die WM-Trophäe fehlt den Portugiesen noch - und Ronaldo geht es da nicht besser als seinem persönlichen Dauerrivalen Lionel Messi. Für CR7 ist es mit 33 Jahren womöglich seine letzte Chance, sich diese Sehnsucht zu erfüllen. Mit einem Sieg gegen die Auswahl seiner Wahlheimat wäre der Einzug ins Achtelfinale angesichts der weiteren Gegner Marokko und Iran fast schon eine Formsache. Zumal Portugal seit neun WM- und EM-Spielen ungeschlagen ist. Die letzte Niederlage setzte es am 16. Juni 2014 mit einem 0:4 in Brasilien gegen den späteren Weltmeister Deutschland.

Entlastung für Ronaldo erhoffen sich die Portugiesen durch Goncalo Guedes. Bei der WM-Generalprobe gegen Algerien (3:0) sorgte er mit zwei Toren fast im Alleingang für die Entscheidung. Ronaldo, der nach dem dritten Champions-League-Titel in Serie Sonderurlaub bekommen hatte, ging begleitet von Schlagzeilen um einen möglichen Weggang von Real in seinem 150. Länderspiel leer aus. Treffer Nummer 82 hat er sich vielleicht für das Duell mit Spanien aufgehoben.