Schweißtreibende WM-Vorbereitung: Sauna und Mützen
Burton upon Trent (dpa) - Schon in der Vorbereitung auf die erwarteten Hitzeschlachten bei der WM fließt der Schweiß in Strömen.
Die Italiener um Superstar Andrea Pirlo brüten während des Trainings in einem saunaartigen Holzschuppen, Englands Profis simulieren selbst an der Algarve die feuchte Wärme im Norden Brasiliens mit drei Lagen Bekleidung samt Mütze. Und auch die anderen Top-Nationen sind vor der von Joachim Löw und Jürgen Klinsmann prognostizierten „WM der Strapazen“ gewarnt. „Wir brauchen widerstandsfähige, willensstarke Spieler, die diese Bedingungen annehmen, nicht lamentieren“, betonte Bundestrainer Löw mit Blick auf die „andere Belastung“ in Südamerika.
Selten zuvor legten vor allem die Top-Kandidaten aus Europa so viel wert auf eine angemessene Akklimatisierung. Bereits 13 Tage vor dem ersten Spiel gegen Italien reist Englands Coach Roy Hodgson mit seinem Team in den US-Sonnenstaat Florida, um sich auf den WM-Start in der Amazonas-Stadt Manaus einzustimmen. Dort liegt die durchschnittliche Temperatur im Juni bei 31 Grad. Nur wenig kühler ist es im Nordosten an den Spielorten Recife, Natal und Fortaleza.
Schon in den ersten beiden Trainingslagern sieht die Mannschaft um Wayne Rooney deshalb eher aus, als stünde eine Winter-WM bevor. „Es ist unbehaglich, etwas eng“, berichtete Verteidiger Glen Johnson, als er seine Ausrüstung an dem milden Frühlingstag im Herzen Englands aufzählt: Lange Unterhose, lange Trainingshose, T-Shirt, Pullover, Trainingsjacke, Handschuhe - und wer mag noch eine Mütze. „Wir versuchen schon einige Sachen, um uns darauf vorzubereiten. Ich glaube aber, dass man es nicht zu hundert Prozent nachempfinden kann.“ Über Pads wird der Schweiß aufgenommen und analysiert.
Auch Auftaktgegner Italien setzt auf eine Hitze-Simulation: Immer wieder geht es für die Spieler in Florenz in ein Holzhäuschen, um noch bei 32 bis 33 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent aufs Fahrrad oder Laufband zu steigen. „Der klimatische Aspekt wirkt sich sehr stark auf die Leistungen aus“, erklärte Riccardo Montolivo im dpa-Interview . „Deshalb wird es wichtig sein, eine optimale körperliche Verfassung zu haben.“
Das deutsche Team werde derartige Maßnahmen vorab nicht ergreifen, erklärte Mannschaftsarzt Tim Meyer am Donnerstag. Hingegen sei die „Akklimatisierung über mehrere Tage ein wichtiger Faktor“. Zudem solle das Training in Brasilien auch schonmal zu Zeiten stattfinden wie die Spiele, „damit man spüren kann was das ausmacht.“
Während Deutschland „froh“ (Meyer) ist, nicht im drückenden Manaus zu spielen, will Italien für die Präparierung seinen Erfahrungsvorsprung vom Confederations Cup aus dem vergangenen Sommer nutzen. „Es ist mir vorher noch nie passiert, dass acht von elf Spielern um ihre Auswechslung bitten“, berichtete Trainer Cesare Prandelli.
Die Auswirkungen sind bei fast allen Akteuren ähnlich: Erhöhte Körper- und Haut-Temperatur, höherer Puls sowie größerer Flüssigkeit- und Gewichtsverlust. Sollten die Strapazen nicht mehr zu bewältigen sein, soll es die Möglichkeit für Trinkpausen geben. Die brasilianische Spielergewerkschaft hatte sogar versucht, den Fußball-Weltverband FIFA per Klage zur Änderung der Anstoßzeiten zu bringen.
Dabei wird sich das Wetter nach Ansicht der Experten nicht nur auf den Organismus der Spieler auswirken, sondern auch den Spielstil beeinflussen. „Es geht um Kleinigkeiten, zum Beispiel, wo die Teams ihr Pressing beginnen“, erklärte Hodgson. „Es wird Gelegenheiten geben, wenn du dich zurückfallen lassen musst. Aber es gibt keinen Zweifel, dass Ballbesitz sehr wichtig sein wird.“
Da allerdings alle Teams mit den ungewöhnlichen Bedingungen zurechtkommen müssen, gibt es auch gelassene Stimmen. So rief US-Coach Klinsmann im Interview mit „11 Freunde“ die „WM der Toleranz“ aus: „Teams, die wegen Kleinigkeiten anfangen rumzuheulen, werden Probleme bekommen.“