„Social Futebol Clube“: Kinder trainieren mit Ex-Profis

Porto Alegre (dpa) - Vom Tod seines ehemaligen Schülers hat Edison Nunes Ferraz in der Zeitung erfahren. Eines Tages stand dort, dass der Junge von Polizisten erschossen worden war, als er für Drogenhändler Schmiere stand.

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Die Nachricht stimmt Edison noch Wochen später traurig.

Als ehemaliger Fußballprofi hatte er den Jungen jahrelang beim „Social Futebol Clube“ trainiert. Seit Oktober 2005 gibt es das Projekt in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre, finanziert von der Stadt. 16 ehemalige Fußballprofis, darunter auch Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft, trainieren 1254 Kinder in den ärmeren Stadtteilen, den Communidades. „Das Hauptziel des Projekts ist nicht, Fußballer auszubilden“, sagt Cristiano Luis da Silva Machado, der die jungen Kicker gemeinsam mit Edison trainiert. Vielmehr gehe es um die soziale Integration.

Denn viele der Kinder wachsen in schwierigen Verhältnissen auf. Drogen, Gewalt und Armut - das sind die größten Probleme, mit denen die Menschen in den Vilas in Porto Alegre zu kämpfen haben, erklärt Cristiano Luis da Silva Machado, der als einziger Nichtprofi im Trainerstab ist. Viele Kinder hätten nicht genug Geld, um sich Schuhe oder Sportkleidung zu kaufen. „Hier ist es nicht anders, als in anderen Großstädten Brasiliens.“

Häufig seien die Eltern getrennt, in den Drogenhandel verwickelt oder säßen im Gefängnis. „Aber auch für die, die mit alldem nichts zu tun haben und sich gut um ihre Kinder kümmern, ist es nicht leicht“, erklärt Cristiano Luis da Silva Machado. Um genug Geld zu verdienen, müssten Mutter oder Vater oft von morgens bis abends arbeiten.

Damit die Kinder nicht zu viel allein sind, bieten Cristiano Luis da Silva Machado und Edison in der Communidade Cohab Cavalhada im Süden Porto Alegres deshalb das Fußballtraining für 7- bis 14-Jährige an. Jeden Mittwoch und Freitag, zweieinhalb Stunden am Vormittag und drei Stunden am Nachmittag.

Die Teilnahme ist freiwillig, niemand wird gezwungen. Das ist auch gar nicht nötig - das Projekt ist bei den Kindern, die sonst nur wenig Aufmerksamkeit erfahren, beliebt. „Edison erzählt uns viel von seiner Zeit als Fußballprofi, das ist toll“, sagt Kevem. Der Zwölfjährige trainiert hier seit vier Jahren. „Wir können hier immer fragen, wenn wir etwas nicht wissen und sie zeigen es uns dann.“

Knapp 90 Kinder kommen regelmäßig, darunter auch ein paar Mädchen. Auch wenn es Spaß macht: Manchmal tauchen die Jungs nicht mehr beim Training auf. „Oft müssen sie auf ihrer kleineren Geschwister aufpassen“, sagt Cristiano. Viele kämen früher oder später auch mit Drogen in Kontakt.

Und so geht es in dem Projekt um viel mehr als Fußball. Die Trainer versuchen, den Kindern ein gutes Vorbild zu sein - und ihnen über das Spiel Fairness, Achtsamkeit und Gemeinschaft zu vermitteln. „Wir zeigen ihnen, dass sie ihre Aggressivität in Energie im Spiel umwandeln können - das klappt nicht immer“, erklärt Cristiano.

Auch wenn das Ziel nicht sportlicher Erfolg ist - Wettbewerbe gehören zum Fußball natürlich dazu. So beginnt an diesem Samstag die „Copinha“, eine Miniweltmeisterschaft. An zwei Tagen wird in Porto Alegre die gesamte WM ausgespielt - nach Originalspielplan. Das Team aus der Communidade Cohab Cavalhada geht als Belgien in Gruppe F an den Start. Darauf freuen sie sich schon seit Wochen. Gemeinsam haben sie für das Turnier Trikots gebastelt und sich mit der Geschichte des fernen Landes auseinandergesetzt.

Fällt ein Talent auf, vermitteln die Trainer den Spieler auch an andere Mannschaften weiter. Auch Kevem träumt davon, Fußballprofi zu werden. Obwohl er um die große Konkurrenz weiß, ist er optimistisch: „Man hat ja immer die Chance, es wenigstens zu versuchen.“ Und so gibt die Arbeit im Projekt dem Ex-Profi Edison auch viel Hoffnung: „Wir können leider nicht alle retten, aber viele.“