WM-Debütantenball im US-Trikot - Eagle statt Adler

São Paulo (dpa) - Sie sind in Deutschland geboren oder aufgewachsen, und haben hier das Fußballspielen erlernt: In den kommenden Tagen stehen Jermaine Jones, Fabian Johnson, Timothy Chandler, Julian Green und John Brooks davor, sich bei der Fußball-WM in Brasilien ihren Kindheitstraum zu erfüllen.

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Das Quintett erlebt seine WM-Premiere - allerdings nicht im deutschen Trikot, sondern im rot-weiß-blauen Jersey der USA. American Eagle statt Deutscher Adler, Jürgen Klinsmann statt Joachim Löw.

US-Nationaltrainer Klinsmann nennt es das „Phänomen der doppelten Staatsbürgerschaft“, das es in Person von Mesut Özil oder Sami Khedira in der deutschen Elf schon seit einiger Zeit gebe, und das seit zwei Jahren auch in den USA immer größer werde. „Das ist für uns eine Riesensache. Die Spieler kommen aus Strukturen, in denen sie von Kleinauf an Fußball gespielt und eine top Ausbildung genossen haben - zum Beispiel in den Bundesliga-Leistungszentren“, sagt der 49-Jährige. Und von diesen Strukturen profitiere sein US-Team jetzt. Doch auch die Spieler selbst, die alle einen amerikanischen Vater und eine deutsche Mutter haben, dürfen sich als Gewinner fühlen.

Jones beispielsweise hatte einst drei A-Länderspiele für Deutschland absolviert. Im Februar 2008 debütierte er unter Joachim Löw, wenige Monate später gehörte der Mittelfeld-Wühler zum erweiterten Kader für die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz.

Jones absolvierte ein gutes Trainingslager auf Mallorca, Kontrahent Tim Borowksi lag eine Woche krank im Bett. Löw entschied sich dennoch für den damaligen Bremer. Jones fuhr heim und kehrte nicht mehr zum DFB zurück. Die FIFA hatte damals ihre Statuten geändert. Profis, die noch keine Pflichtspiele bei EM, WM oder in der Quali absolviert hatten, war es nun erlaubt, einmalig den Verband zu wechseln.

Jones erklärte im Frühjahr 2009, für die USA spielen zu wollen. Insgeheim rechnete er damit, bereits 2010 bei der WM in Südafrika für die „Yanks“ dabei sein zu können. Wegen eines Haarrisses im Schienbein fiel er aber die komplette Saison aus, debütierte erst im Herbst 2010 im US-Team - und musste bis jetzt warten, ehe die WM für ihn Realität wird. „Ich versuche, alles zu genießen, alles aufzusaugen“, sagt der Ex-Schalker, nun bei Besiktas Istanbul.

Jones ist für das Auftakt-Match gegen Ghana gesetzt - ebenso wie Fabian Johnson. Der Noch-Hoffenheimer und baldige Gladbacher hat seinem Stammplatz rechts in der Vierer-Abwehrkette. Johnson galt einst als hoffnungsvolles deutsches Talent. 2009 wurde er mit der U 21-Nationalmannschaft Europameister. Es folgten Anruf von Klinsmann, Trainingsbesuch in Kalifornien und Verbandswechsel.

Ob es für ihn auch einen Platz in der deutschen Elf gegeben hätte, könne er nicht sagen, so Johnson. Und es interessiert ihn auch nicht. „Ich habe mich so entschieden und bin glücklich damit.“ Ähnliche Worte sind von Julian Green zu hören. Der Mittelfeldmann aus der Reserve des FC Bayern schaute im März bei einem Kurz-Trainingslager der Amerikaner in Frankfurt vorbei. Bis dato hatte er für die Nachwuchs-Nationalmannschaften der USA und Deutschland gespielt.

Letztlich legte sich der Teenager jedoch auf eine Zukunft in Amerika fest. „Es war eine sehr schwere Entscheidung. Ich habe lange mit meiner Familie zusammengesessen“, betont Green. Ausschlaggebend seien die guten Gespräche mit Klinsmann gewesen. Der einstige Bundestrainer ist das Parade-Beispiel für jemanden, der trotz seiner deutschen Vergangenheit seine Zukunft mit dem US-Team sieht. Auch er steht am Montag vor seiner WM-Premiere mit Amerikas Auswahl.