Vor Revanche gegen Frankreich Stolze WM-Helden verzaubern Kroatien
Moskau (dpa) - Der Stolz einer vom WM-Glück berauschten Nation soll Kroatiens Helden jetzt auch an die Spitze der Fußball-Welt tragen.
Trainer Zlatko Dalic hatte nach dem Halbfinal-Triumph gegen England zur Pressekonferenz das rot-weiße Karo-Trikot als Signal an das freudetrunkene Vier-Millionen-Volk übergestreift, Kapitän Luka Modric sagte: „Kroatien ist im Moment der Wahnsinn.“ In der Heimat tanzten Hunderttausende auf den Straßen, die Boulevardzeitung „24sata“ jubelte am Donnerstag: „Wir greifen nach Gold.“ Im Endspiel von Moskau gegen Frankreich wollen die Kroaten nun Revanche für 1998 und erstmals in ihrer Geschichte den WM-Pokal hochhalten.
„Jeder erinnert sich in Kroatien an dieses Spiel“, sagte Dalic. „Vielleicht hat uns der liebe Gott ja die Möglichkeit gegeben, dieses Ergebnis zurechtzurücken.“ Vor 20 Jahren hatte Kroatien im Stade de France von Paris im Halbfinale eine 1:2-Niederlage gegen den WM-Gastgeber erlitten. Das Spiel um Platz drei gegen die Niederlande gewann die Mannschaft dann mit 2:1 - ein schwacher Trost.
Nun hat die goldene Generation um Modric das bis dato erfolgreichste Team um Torjäger Davor Suker übertrumpft und kann ihren Siegeszug nach drei Spielen mit Verlängerung in der K.o.-Phase im Finale am Sonntag krönen. „Wir sind die Feurigen, wir sind nicht normal. Wir haben Geschichte geschrieben“, sagte Torhüter Danijel Subasic, dem ein Elfmeterschießen dieses Mal gerade noch erspart geblieben war. „Kroatien brennt und wir sind noch nicht ausgebrannt. In uns steckt noch Kraft.“
Zum dritten Mal hatte das Dalic-Team auch einen Rückstand wettgemacht und drehte die Partie in Moskau durch Tore des früheren Dortmunder Meister-Kickers Ivan Perisic (68. Minute) und des ehemaligen FC Bayern-Stürmers Mario Mandzukic (109.). „Was wir für unser Land schaffen, ist fantastisch“, sagte der Chefcoach mit glänzenden Augen und lobte immer wieder den Charakter seines Teams. „Ich wollte auswechseln, aber keiner wollte runter. Zwei Spieler haben mit einem halben Bein gespielt. Ich bin so stolz, keiner hat aufgegeben.“
Auch Kroatiens Co-Trainer Ivica Olic, der einst ebenfalls in der Bundesliga spielte, schüttelte fassungslos den Kopf: „Unser Traum geht weiter.“ Die französische Zeitung „Le Figaro“ schrieb von einem „noch nicht da gewesenen Finale, das verspricht, spektakulär zu werden. In der Linie des alten Jugoslawiens verfügt Kroatien in der Tat über ein talentiertes und verführerisches Team, das in der Lage ist, den Franzosen Probleme zu bereiten.“
Der kleine Modric verschwand weit nach Mitternacht im Luschniki-Stadion fast hinter einem Riesenstrauß an Mikrofonen. „Wir waren phänomenal. Wir haben immer geglaubt, dass wir zurückkommen. Eine unvergessliche Nacht, ich glaube, wir haben es verdient, wir haben eine unglaubliche Moral gezeigt“, sagte der geniale Ballverteiler von Real Madrid und lobte Trainer und Team: „Eine Sache ist sehr speziell: Seit ich in der Nationalelf bin, habe ich noch nicht so eine Gemeinschaft gesehen, die uns dahin geführt hat, wo wir jetzt stehen.“
Fragen nach dem Goldenen Ball wehrte der 32-Jährige lächelnd ab. Nur der Erfolg der Mannschaft zähle, nicht die Auszeichnung zum besten WM-Spieler, für die er längst ein ganz heißer Favorit ist. Modric ahnte, was in seiner Heimat los war - und nicht nur dort. „Das ganze Land schläft nicht“, sagte er. „Und in den Ländern drumherum auch nicht, weil wir vier Millionen Menschen in Kroatien sind und vier Millionen außerhalb des Landes.“