Thomas Müller: „Art der Kritik nicht in Ordnung“

Thomas Müller verteidigt die Auftritte der DFB-Elf und verspricht Besserung: „Wir sind eine Wettkampf-Mannschaft.“

Foto: Thomas Eisenhuth

Herr Müller, nach dem Einzug ins Viertelfinale gab es Kritik an der Spielweise der deutschen Mannschaft. Können Sie das nachvollziehen?

Thomas Müller: Die erste Halbzeit war sicher nicht das, was wir uns vorstellen. Deshalb ist hinterher auch kein Schampus geflossen. Aber man sollte als Spieler nicht das Gefühl haben, dass man sich für das Erreichen eines Viertelfinales entschuldigen muss.

Was ist gegen Algerien schief gelaufen?

Müller: Wir hatten zu viele einfache Ballverluste. Daraus ergaben sich Szenen, in denen wir einen guten Manuel Neuer brauchten und auch etwas Glück. Mit Beginn der zweiten Halbzeit hatten wir viele gute Torgelegenheiten, die man aber nutzen muss, um hinterher keine Diskussion zu haben, wie wir sie hatten. Algeriens Tor zum 1:2 hat die negative Art, in der das Spiel dargestellt wurde, leider noch verstärkt. Man kann dann eben auch nicht sagen, dass das souverän war.

Fühlt sich die Mannschaft ungerecht behandelt?

Müller: Die Kritik ist nicht überzogen. Aber die Art und Weise, wie sie vorgebracht wurde, war nicht in Ordnung.

Per Mertesacker hat im ZDF-Interview nach dem Spiel ungehalten reagiert.

Müller: So hat er sich in diesem Moment eben gefühlt. Per hat es mit seiner Reaktion nur auf den Punkt gebracht. Schließlich ist es doch so, dass wir hier Spiel für Spiel gewinnen. Wenn es andere Mannschaften so machen wie wir gegen Algerien, wird das als clever angesehen. Oder es heißt dann, die gewinnen ein Spiel auch mal schmutzig.

Sie selbst stehen bei dieser WM wieder außerhalb jeder Kritik.

Müller: Wer im ersten Spiel drei Tore macht, ist erst einmal fein raus.

Wie ist zu erklären, dass Sie sich gerade bei Weltmeisterschaften auf Ihre Form verlassen können?

Müller: Ich kann mich auf eine WM extrem fokussieren. Dann hast Du eine Anspannung und eine Laufbereitschaft, die eben viel größer ist, als wenn Du in der ersten Pokalrunde gegen einen Fünftligisten spielst. In diesen vier WM-Wochen haue ich alles raus, was in mir steckt.

Ihre Spielweise gilt als eigenwillig. Sehen Sie sich auch als einen unorthodoxen Spieler?

Müller: Ich kann mich gegen diese Beschreibung nicht wehren. Aber glauben Sie mir, in meinem Spiel passieren viel weniger Dinge spontan, als Sie vielleicht denken.

Schon lange nicht mehr ist so viel über die Aufstellung diskutiert worden. Auch unter Spielern?

Müller: Wir fahren als Mannschaft eine Linie. Der Trainer gibt die Richtung vor, aber wir stehen als Mannschaft auch dahinter.

Wie sehen Sie die Diskussion über die Besetzung im Mittelfeld?

Müller: Egal, wer dort spielt, ich sehe das Zentrum bisher als einen unserer Trümpfe. Da sind wir stabil.

Eine umstrittene Personalie ist Benedikt Höwedes.

Müller: Benedikt geht in viele Kopfball-Duelle und bleibt dort auch Sieger. Im Defensiv-Zweikampf kenne ich keinen Außenverteidiger, der besser ist als er.

Was erwarten Sie gegen Frankreich?

Müller: Die Franzosen kommen wie wir über das Kollektiv. Sie sind nicht von Einzelspielern abhängig. Sie werden offener spielen als Algerien, haben sehr fähige Stürmer mit hoher Laufleistung.

Frankreich tritt bei dieser WM ohne Franck Ribéry an. Schwächt das die Mannschaft?

Müller: Die Franzosen haben bislang gut gespielt. Aber vielleicht wären sie mit Franck noch stärker. Das ist wie beim FC Bayern mit Franck oder Arjen Robben. Haben sie gefehlt und wir haben gut gespielt, heißt es hinterher, die brauchen wir nicht mehr. Haben wir schlecht gespielt, heißt es, ohne die beiden geht’s nicht.

Wie sehen Sie die Kräfteverhältnisse bei dieser WM?

Müller: Es gibt bislang keine Mannschaft, die alle schwindelig spielt. Das ist aber auch nachvollziehbar, weil niemand mehr einen Fitness-Vorteil hat. Alle Teams sind heutzutage gleichermaßen hervorragend vorbereitet.

In Rio wird Ihre Familie erstmals bei der WM im Stadion sein. Gibt das zusätzlichen Antrieb?

Müller: Es hat nichts mit dem Aufenthaltsort meiner Eltern zu tun, wie gut ich spiele. Ich spiele für mein Land, da gehören meine Eltern dazu, für mich und um des Fußballs Willen.

Ist Ihre Zuversicht gestiegen, den Titel zu holen?

Müller: Wir sind eine Wettkampf-Mannschaft, das hat das Algerien-Spiel gezeigt. Wir sind auf einem guten Weg dorthin.

“ Kommentar, S. 2