Mexiko-Coach Triumph des Taktikers: Osorio zeigt's den Kritikern
Moskau (dpa) - Zu viel Rotation, falsche Nationalität - die Kritik an Juan Carlos Osorio war vor der WM vielfältig, häufig heftig und nicht immer sachlich. Mexikos kolumbianischer Trainer blieb ruhig und feierte gegen Weltmeister Deutschland seinen ganz persönlichen Triumph.
„Es ist der bedeutendste Sieg in meiner sportlichen Karriere“, sagte Osorio. „Und hoffentlich wird es nicht der letzte sein.“ Der Taktiker überzeugte mit einem starken Matchplan - und machte vielen Fans ein schlechtes Gewissen.
So schlecht, dass einige von ihnen einen Entschuldigungsmarsch in Mexiko-Stadt planen. „Niemand wollte an Osorio glauben und er kam in Russland an und zeigte uns, dass wir uns alle geirrt haben...Entschuldigung, Osorio!“, heißt es in einer Facebook-Veranstaltung des Onlineportals Sopitas. In dem sozialen Netzwerk hatten bereits mehr als 12.000 Menschen für den Marsch am Samstag zugesagt und über 40.000 ihr Interesse signalisiert.
Von der Kritik an seiner Arbeit ließ sich Osorio vor dem ersten WM-Spiel offenbar nicht irritieren, der 57-Jährige machte einfach seinen Job. Gegen Deutschland setzte er ein lange entwickeltes Vorhaben um. „Den Spielplan haben wir vielleicht schon vor sechs Monaten aufgestellt“, sagte Osorio. „Die Idee war immer, zwei schnelle Außenspieler zu haben.“ Der Plan ging auf. Miguel Layún über rechts und vor allem Linksaußen Hirving Lozano, der nicht nur wegen seines Siegtores ein grandioses Spiel zeigte, stellten den Titelverteidiger immer wieder vor Probleme.
Der Coach dachte nach dem Sieg schon an die Partie gegen Südkorea am Samstag. „Wir bereiten uns vor und konzentrieren und von jetzt an auf das nächste Spiel“, sagte Osorio. Es wäre erstaunlich, wenn er dafür nicht auch schon einen konkreten Plan im Kopf hätte.
„Er ist ein Genie“, lobte Layún seinen Coach. An die Kritiker gewandt sagte der 29-Jährige: „Wenn du siehst, wie er sich voll und ganz dieser Gruppe widmet, erscheint es mir manchmal völlig haltlos, dass so ein radikales Urteil gefällt wird, ohne das Innere zu kennen und von Tag zu Tag mitzuerleben.“
Osorio bewahrte auch Ruhe, als Schlagzeilen um eine angebliche Skandal-Fiesta in der WM-Vorbereitung alle anderen Themen rund um El Tri überlagerten. Er habe von dem Treffen gewusst, hatte er seinerzeit erklärt und überhaupt: Die Spieler hätten schließlich frei gehabt. Alles kein Problem.
Einer von Osorios härtesten Kritikern war Mexikos Fußball-Idol Hugo Sánchez. „Der Trainer ist Kolumbianer, und seine Art, die Mannschaft aufzustellen, gefällt uns Mexikanern nicht. Er rotiert sehr viel, es ist schwer, daraus eine Spielweise zu erkennen“, hatte Sánchez vor dem WM-Auftakt der Lateinamerikaner in einem Interview der „Sport Bild“ gesagt. „Aufgrund meiner Ideologie werde ich nicht akzeptieren, dass ein Ausländer die Mannschaft trainiert.“
Der derzeit verletzte Nationalspieler Diego Reyes twitterte nach dem Sieg gegen den Titelverteidiger. „Weil du nicht in Mexiko geboren sein musst, um die Farben zu fühlen, verdienst du mehr als alle anderen diesen Triumph! Danke, dass du nie aufgehört hast, an uns zu glauben, Professor Osorio!“
Der Coach selbst blieb gewohnt ruhig und sachlich. „Dieser Triumph gehört jenen, die uns unterstützten und auch jenen, die uns nicht unterstützten“, sagte er. Wie viel Genugtuung bei diesem Satz mitschwang, wusste wohl nur Juan Carlos Osorio selbst.