Vier deutsche Trainer auf WM-Mission
Natal (dpa) - Vier deutsche Trainer, dazu drei weitere mit Bundesliga-Erfahrung - so viel schwarz-rot-goldenen Einfluss hatte noch keine Fußball-WM. Joachim Löw kommandiert als Chef von Lahm & Co. das gegen Portugal erfolgreich gestartete Projekt WM-Titel.
Sein Vorgänger und Gruppengegner Jürgen Klinsmann muss sich in der Wahlheimat dafür rechtfertigen, dass er den Titel mit den USA schon vor dem 2:1 gegen Ghana als unrealistisch bezeichnet hat. Ottmar Hitzfeld nutzt mit der Schweiz die große Bühne in Brasilien für seinen Abschied von der Seitenlinie. Volker Finke versucht im Chaos rund um das Team Kameruns den Überblick zu wahren - und die kleine Restchance aufs Achtelfinale nach dem enttäuschenden 0:1 gegen Mexiko zum Auftakt.
Die attraktive Spielweise des DFB-Teams in den vergangenen Jahren hat zu einem Run auf deutsche Trainer geführt. „Das ist auf jeden Fall so, ja. Es gibt wieder mehr Freude am deutschen Fußball“, sagte Finke vor WM-Beginn in einem dpa-Interview. Bestens vertraut mit der Bundesliga sind auch drei WM-Kollegen: Kroatiens Trainer Niko Kovac war als gebürtiger Berliner langjährige Kraft bei Hertha BSC, Belgiens Coach Marc Wilmots holte 1997 mit Schalke 04 den UEFA-Cup, Louis van Gaal hatte mit Bayern München mehr gute als schlechte Zeiten. Ex-Bundestrainer Berti Vogts unterstützt zudem US-Coach Klinsmann als Berater.
Dass Hitzfeld immer noch ein gutes Näschen hat, bewies der Champions-League-Sieger mit Bayern und dem BVB beim Last-Minute-Sieg der Schweiz gegen Ecuador. „Der Trainer hat alles richtig gemacht“, sagte der eingewechselte Siegtorschütze Haris Seferovic. Denn auch Admir Mehmedi vom SC Freiburg, der mit seinem ersten Ballkontakt den Ausgleich erzielte, brachte Hitzfeld von der Bank. Ob er nun ein Genie oder ein Glückskind sei, wollten die Journalisten nach dem gelungenen Auftakt wissen. Hitzfeld wich geschickt aus und erklärte schmunzelnd: „Als Trainer macht man sich Gedanken, welche Möglichkeiten man auf der Bank hat, wenn man im Rückstand ist.“
Dem 65-Jährigen scheint bewusst zu sein, wie sehr ihm diese kleinen Triumphe eines Coaches im Ruhestand fehlen könnten. Vielsagend antwortete er auf eine entsprechende Frage: „Umso mehr habe ich diese Gefühle gerade genossen. Es war ein Traumfinale.“ In der Gruppe E mit Frankreich, Honduras und Ecuador sollte Hitzfeld seinen Abschied nach den drei Punkten zu Beginn jedenfalls noch mindestens bis zum Achtelfinale hinauszögern können.
Finkes Vertrag in Kamerun läuft zwar noch bis 2015, aber zumindest die Brasilien-Expedition mit seinen „Unbezähmbaren Löwen“ steht vor einem frühen Ende. Das vermeintlich leichteste Spiel gegen Mexiko wurde verloren, die Hoffnung auf Siege am Mittwoch (Ortszeit) gegen Kroatien und Gastgeber Brasilien am Montag ist nicht sonderlich groß. Aber der ehemalige Coach des SC Freiburg weiß: „Wenn wir bei der WM bleiben wollen, müssen wir gewinnen.“ Mit einem Team, das lange um Prämien streiten musste und in dem Superstar Samuel Eto'o seine Sonderrolle vehement verteidigt, kein leichtes Unterfangen.
Klinsmann dagegen hat nach dem Erfolg gegen WM-Angstgegner Ghana gute Karten, den bereits gesammelten tausenden Flugkilometern in Brasilien noch einige mehr hinzuzufügen. Nachdem die USA bei den vergangenen beiden Turnieren jeweils an den Afrikanern gescheitert waren, ist der Reiseweltmeister mit den längsten Distanzen vom Basislager zu seinen Vorrundenspielen in der deutschen Gruppe G auf Kurs.
Den WM-Titel wird Klinsmann trotz der harschen Kritik von US-Medien an seiner als „unamerikanisch“ empfundenen Einschätzung zwar weiter als unrealistisch ansehen. Aber dem Optimismus des Schwaben hat der Dreier in Natal sicher nicht geschadet. „Natürlich wissen wir, dass es wahnsinnig schwer wird. Aber wir kommen durch die Gruppe durch, da bin ich fest von überzeugt“, hatte er schon vorher gesagt.
Für Löw, Finke und Co. gilt: So lange dabei sein, wie irgendwie möglich. Denn, so Klinsmann: „Etwas Besseres als eine WM in Brasilien gibt es einfach nicht.“ Auch nicht für deutsche Trainer.