Vorbereitung mit Capoeira: England vor WM-Start locker
Rio de Janeiro (dpa) - Capoeira statt Stimmungsdrama: Englands Team gibt sich kurz vor dem WM-Start betont relaxt. Großen Anteil an der neuen Entspanntheit hat der Stil des Coaches. Die Sicherheitsvorkehrungen an der malerischen Trainingskulisse sind dennoch immens.
Plötzlich überraschten Daniel Sturridge und Danny Welbeck in der Favelha Rocinha mit ungeahnten Talenten. Beim Besuch des Complexo Esportivo verfolgte Englands Nationalmannschaft gebannt die Capoeira-Tanzdarbietung der Jugendlichen, als auch die beiden Offensivspieler in die Mitte sprangen. Zunächst noch etwas zögerlich drückten sich die Youngster am Montagnachmittag dann doch gekonnt in den Handstand, bewegten ihre Hüften und erhielten den verdienten Applaus ihrer Teamkollegen. „Ich glaube, es war okay für unser erstes Mal“, scherzte Welbeck. „Sie schlagen Räder in Matrix-Zeitlupe - ziemlich cool“, staunte Sturridge.
Das Team von Roy Hodgson residiert im Royal Tulip Hotel nicht nur direkt am berühmten Ipanema-Strand von Rio de Janeiro, sondern präsentiert sich im heißen WM-Vorbereitungsendspurt auch sonst komplett entspannt. „Die ganze Mannschaft ist sehr daran interessiert, unsere Umgebung hier kennenzulernen und die Kultur Brasiliens während unserer Zeit hier zu erleben“, sagte Jack Wilshere nach der Visite in der größten Favelha der Millionen-Metropole.
Der Arsenal-Profi und mehrere seiner Teamkollegen nutzten das etwas andere Einstimmungsprogramm vor dem WM-Start am 15. Juni (0.00 MESZ) gegen Italien für Unterhaltungen mit den Heranwachsenden von Rocinha, machten zahlreiche Fotos. Zudem kündigten sie an, eine fünfstellige Summe an die Einrichtung zu spenden. „Es ist eine ziemlich surreale Erfahrung“, sagte Mittelfeldspieler Adam Lallana mit Blick auf die Zahl von 70 000 Einwohnern in dem Viertel. „Das ist die Kulisse zu dem Ort, wo wir heute trainiert haben - das ist die Realität.“
Bei aller äußerlichen Relaxtheit der Hodgson-Auswahl muss der Besucher auf dem Weg zum traumhaft gelegenen Trainingsplatz der Three Lions allerdings doch einige Hindernisse überwinden. Auf dem Gelände der Militärschule der früheren Festung São João in Urca wachen zahlreiche Soldaten über das englische Team, ein Helikopter, ein Kampfschiff und ein U-Boot sorgen für die Sicherheit, den Teambus begleitet eine stattliche Eskorte von tarnfarbenen Fahrzeugen.
Am Fuße des Zuckerhuts, den der Verband sogar auf mögliche Plätze zum Spionieren durch Gegner abgesucht hat, bietet sich Wayne Rooney & Co. bei den Einheiten die wunderschöne Aussicht auf die Bucht von Guanabara. Selbst der zuletzt in der Kritik stehende Stürmerstar macht in Rio einen bestens gelaunten Eindruck, scherzt nach einem missglückten Freistoßversuch mit den Betreuern.
Und auch der angeschlagene Alex Oxlade-Chamberlain präsentiert sich lässig, legte am Dienstag vor dem Training auf dem Balkon im Teamhotel mit nacktem Oberkörper das lädierte rechte Knie in einer Kompressionsschiene hoch. „Es läuft gut bei ihm. Wir werden sein Trainingsprogramm in dieser Woche ausweiten“, sagte Hogdson und äußerte Hoffnung, dass der Arsenal-Profi für das zweite Spiel gegen Uruguay fit wird.
Einen wesentlichen Anteil der positiven Atmosphäre im englischen Lager, das bei vergangenen Großturnieren stets die Bühne für ein großes Stimmungsdrama bot, hat der in sich ruhende Coach. „Jetzt gibt es Hodgson und seinen relaxten „Call-me-Roy“-Stil des Managements“, analysierte der „Independent“.
Und so können auch die schwül-heißen Bedingungen bei 34 Grad die Spieler nicht sonderlich schocken. „Ich war schon in Malaysia in der Vorbereitung und konnte nicht atmen“, berichtete Wilshere. „Heute war es doch ein bisschen besser.“