Zahltag gegen „raue“ Färinger für Löw-Auswahl
Tórshavn (dpa) - Ganz vorne in der ersten Reihe grübelte Joachim Löw beim ruhigen Flug auf die Schafsinseln über den Matchplan. Nach der anschließenden Fahrt über die Insel nach Tórshavn war ihm endgültig klar, dass sein 97. Länderspiel als Bundestrainer kein alltägliches wird.
„Die Insel macht einen sehr rauen Eindruck. Und ich denke, dass wir es morgen mit rauen und toughen Spielern zu tun haben“, erklärte Löw vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen die Färöer.
Nach dem souveränen 3:0 gegen Österreich wird der DFB-Chefcoach gegen den 175. der Weltrangliste keine Ausreden zulassen. „Ich möchte keine Spieler hören, die aufgrund der anderen Umstände jammern“, lautete seine deutliche Ansage. „Auf den Färöer sind andere Bedingungen, wir spielen auf Kunstrasen, es ist windig. Aber das darf uns nicht interessieren“, schärfte Löw seinen nach dem Ausfall von Marco Reus (Infekt) noch 20 Akteuren ein. „Hinter dem einen Tor habe ich Glas gesehen, hinter dem anderen eine Betonwand. Ich hoffe, dass wir trotzdem das Tor treffen“, sagte der Bundestrainer am Montagnachmittag nach seinen ersten prüfenden Blicken im Tórsvollur-Stadion, das sich im Umbau befindet.
Das DFB-Team will als Tabellenführer am Dienstag den ungewohnten Verhältnissen in Tórshavn, der kleinsten Hauptstadt der Welt, trotzen. Bei der weichen Landung des einheimischen Piloten auf dem „Vaga Flughavn“ schauten alle Nationalspieler interessiert aus den Fenstern auf die wolkenverhangenen Berge. „Es gibt überall Einfamilienhäuser, keine Hochhäuser. Es ist farbenprächtig, fantastisch schön“, schilderte Löw seine ersten Eindrücke.
Nur 4000 Zuschauer, darunter fast 1000 aus Deutschland, können das zweite Gastspiel eines deutschen Nationalteams auf den Färöer sehen. Insgesamt leben gerade einmal rund 50 000 Menschen auf den von Dänemark verwalteten Inseln. „Das Einzige, was mich hier interessiert, ist, die drei Punkte zu holen - und das werden wir auch tun“, unterstrich Löw.
Seine Startelf gegen den Tabellenletzten (0 Punkte, 3:22 Tore) muss er wegen des Ausfalls von Reus mindestens auf einer Position umbauen. Wegen eines Magen-Darm-Infekts saß der 24-jährige Reus nicht im Sonderflieger RC 7351 der Färöer Fluggesellschaft Atlantic Airways, sondern reiste zurück nach Dortmund. Den vakanten Posten im linken Mittelfeld besetzte Löw beim Abschlusstraining, das von zahlreichen Zaungästen verfolgt wurde, mit dem 19-jährigen Schalker Julian Draxler. Die Alternative ist André Schürrle vom FC Chelsea.
„Es ist nie angenehm dort“, erklärte Manager Oliver Bierhoff zu den Färöer: „Ich hoffe nur, dass es nicht stürmt.“ Für den Spieltag sagen die Meteorologen zehn Grad, Wolken und nur mäßigen Wind voraus. Zum Seeklima auf den 18 Inseln zwischen Schottland und Island gehören auch rasche Wetterwechsel.
Nach einer 50-Kilometer-Busfahrt vom Flughafen Vagar über die malerische Hügellandschaft und durch einen Tunnel auf die Nachbarinsel Streymoy bezog der DFB-Tross in Tórshavn sein Quartier. Dort wohnt man gemeinsam mit den Färingern unter einem Dach. Bierhoff fühlt sich „wie im Olympischen Dorf“. Für Löw kein Problem: „Der Gegner wird uns im Hotel nicht in die Quere kommen.“
„Das waren immer schon besondere Spiele. Mehr oder minder gut, daher sind wir gewarnt“, erklärte Innenverteidiger Per Mertesacker. Im Juni 2003 quälte sich der damalige Vizeweltmeister Deutschland zu einem 2:0. Erst in den letzten zwei Minuten trafen Miroslav Klose und Fredi Bobic. Mertesacker setzt weiter auf die Qualitäten des 35-jährigen Klose, der vor zehn Jahren sein Tor in Tórshavn noch mit einem Salto gefeiert hatte.
Inzwischen hat der Torjäger mit 68 Länderspiel-Treffern den Rekord von Gerd Müller egalisiert. „In dieser Form kann er direkt nachlegen auf den Färöer, damit er als der deutsche Stürmer in die Geschichte eingeht. Das hat er einfach verdient“, meinte Mertesacker. „Miro wird beginnen“, kündigte Löw an.
Mertesacker gehört zu den zehn Spielern, die noch die Chance haben, die komplette WM-Qualifikationsprämie von 200 000 Euro zu kassieren. Pro Spiel schüttet der DFB beim Gruppensieg 20 000 Euro für jeden Akteur aus, der im Kader stand. Insgesamt wird das WM-Ticket den DFB mehr als vier Millionen Euro kosten. Wenn Schweden in Kasachstan nicht gewinnt, wäre mit einem Sieg auf den Färöer das WM-Ticket auch rechnerisch gelöst.
Mit der Qualifikation würde auch die Vertragsverlängerung des DFB mit Löw, Bierhoff sowie Torwarttrainer Andreas Köpke und Co-Trainer Hansi Flick zusätzliche Fahrt aufnehmen. Das gegenseitige Vertrauen sei da, antwortete Manager Bierhoff auf die Frage, ob den Plänen noch etwas im Wege stehe. „Aber wir brauchen noch mal ein gemeinsames Gespräch, wo es auch um eine Richtungsvorgabe geht“, ergänzte der Manager in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Damit ließ er durchblicken, dass mehr als nur Details zu klären sind. Es geht um Inhalte und wohl auch um Kompetenzen. „Ich selbst will im Moment gar nichts davon hören“, sagte Löw: Und unterschrieben sei noch gar nichts, versicherte der 53-Jährige.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Färöer: Nielsen (FC Motherwell/26 Jahre/17 Länderspiele) - Jóhan Troest Davidsen (HB Tórshavn/25/27), Baldvinsson (Bryne FK/23/14), Gregersen (Vikingur Göta/31/22), Viljormur Davidsen (Velje BK/22/4) - Hansson (Aalborg BK/21/8), Benjaminsen (HB Tórshavn/35/76), Suni Olsen (B36 Tórshaven/32/51), Justinussen (NSI Runavik/24/14) - Holst (Silkeborg IF/31/38) - Edmundson (Viking Stavanger/22/23)
Deutschland: Neuer (Bayern München/27 Jahre/40 Länderspiele) - Lahm (Bayern München/29/100), Mertesacker (FC Arsenal/28/92), Boateng (Bayern München/25/31), Schmelzer (Borussia Dortmund/25/13) - Khedira (Real Madrid/26/41), Kroos (Bayern München/23/36) - Müller (Bayern München/23/43), Özil (FC Arsenal/24/48), Draxler (FC Schalke 04/19/7) - Klose (Lazio Rom/35/129)
Schiedsrichter: Mazeika (Litauen)