Hambüchen nach Aufholjagd ohne Druck ins Reck-Finale
Antwerpen (dpa) - Nach der historischen Aufholjagd zu Bronze nahm Fabian Hambüchen das breite Grinsen mit ins Bett. Den positiven Emotionenschub aus dem WM-Mehrkampffinale in Antwerpen will der Student aus Köln nun auch am Königsgerät ausspielen.
„Das war ein Supertest für Sonntag. Jetzt gehe ich ohne jeden Druck ins Reck-Finale“, erklärte der deutsche Ausnahmeturner nach dem spannendsten Sechskampf seiner Karriere.
Mit Kampfgeist und vollem Risiko hatte sich Hambüchen in einem dramatischen Finale vom 24. und letzten Platz nach dem Seitpferd bis auf den Bronzerang vorgearbeitet. „Die Gefühle waren überwältigend“, offenbarte Hambüchen noch immer sichtlich berauscht, als nach der Siegerehrung die Hymne „We are the Champions“ im dunklen Sportpaleis von Antwerpen verklungen war. Mit 89,332 Punkten sicherte er sich seine insgesamt 21. Medaille bei Olympia, WM oder EM.
Nach jeder gelungen Übung ballte Hambüchen die Fäuste und winkte den Fans auf der Tribüne zu. „Mit Andrej Lichowitzki und Fabian Gonzalez waren ja zwei Turner aus meinem Bundesliga-Team Obere Lahn im Finale. Und wir haben uns gegenseitig gepuscht und mit den stimmungsvollen Fans die Halle gerockt“, sagte Hambüchen. Der Weißrusse kam am Ende auf Platz acht, der Spanier auf Rang elf.
Doch sie alle konnten den alten und neuen Weltmeister vor nur 3000 Zuschauern nicht annähernd gefährden. Zum vierten Mal in Serie siegte Olympiasieger Kohei Uchimura und stellte erneut einen WM-Rekord auf. Mit Note 91,990 setzte sich der ebenso schwierig wie elegant turnende Japaner vor seinem Landsmann Ryohei Kato (90,032) durch, der Hambüchen auch schon bei der Universiade in Kasan bezwungen hatte.
Glanzstück von Hambüchens Auftritt war einmal mehr seine Reckshow. „Ich habe mich mit dem Vater nochmal kurz ausgetauscht und dann entschieden: No risk, no fun. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt“, meinte der Ex-Weltmeister. Er baute den Pineda, den Kovacs-Salto mit ganzer Drehung, in seine Übung ein und verband ihn mit weiteren Flugelementen. Resultat war die Erhöhung der Schwierigkeit auf 7,4 und die mit Abstand hochwertigste Übung (15,933) der Konkurrenz. „Epke Zonderland wird bestimmt zugesehen habe“, ergänzte Hambüchen später schmunzelnd und ließ den Olympiasieger aus den Niederlanden seine Angriffslust für das Reckfinale am Sonntag spüren.
„Nach dem Reck habe ich das erste Mal auf die Anzeige geschaut, um mich zu orientieren“, erzählte Hambüchen. Sein Abstand auf die Medaillenränge war da mit 0,6 Punkten immer noch groß. Doch als er am Boden erneut eine starke Leistung ablieferte und praktisch zeitgleich sein Rivale Sam Mikulak aus den USA am Reck patzte, war die Überraschung perfekt. „Ich habe während meiner Übung darauf geachtet, wie das Publikum auf Mikulak reagiert. Aber als ich durch war, wusste ich zunächst nichts. Erst als der Vater durch die Halle hüpfte wie ein Dilldöppchen, wusste ich, dass es zu Bronze gereicht hat“, gestand Hambüchen und bezog sich auf die in seiner Wahl-Heimat Köln bekannte Karnevals-Tanzgruppe.
Für seinen Vater wurden nach dem großen Abend in Antwerpen Erinnerungen an die Heim-WM 2007 in Stuttgart wach. „Da hatte er sich im Mehrkampf Silber geholt und war danach mental so stark, dass er das Reck gewann“, sagte Wolfgang Hambüchen. „Er kann das jetzt alles lockerer angehen.“ Auch das Finale am Boden am Samstag, in dem Hambüchen Jr. für eine Medaille wohl aber auf Patzer der Konkurrenz hoffen muss.
Zweiter deutscher Turner im Reck-Finale ist Andreas Bretschneider. „Ich bin nicht der Typ, der nur auf Sicherheit turnt“, sagte der WM-Neuling aus Chemnitz und kündigte an, seinen Schwierigkeitsgrad auf 7,2 Punkte zu erhöhen: „Ich habe doch nichts zu verlieren.“