Adiós, Atlético: Kein Spitzen-Handball mehr in Madrid

Madrid (dpa) - Adiós, Atlético de Madrid. Zum zweiten Mal verschwindet der Handball-Club aus Spaniens Hauptstadt von der Bildfläche. Nun gab der dreimalige Champions-League-Sieger seine Auflösung bekannt.

„Der Handball-Club CB Neptuno teilt allen Anhängern und Unterstützern von Atlético de Madrid mit, dass die Gesellschaft wegen der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten entschieden hat, ihre sportlichen Tätigkeiten nicht fortzusetzen“, teilte der Verein auf seiner Internetseite mit. 1994 war der erste spanische Meister schon einmal aufgelöst worden.

Nach spanischen Medienberichten hat der Top-Club knapp eine Million Euro Steuerschulden. Seit längerem sollen auch keine Spielergehälter mehr gezahlt worden sein. Trainer Talant Dujshebaev und alle Spieler sind mit sofortiger Wirkung freigestellt.

„Das Fehlen von Sponsoren und der Mangel an logistischer Unterstützung von öffentlichen Institutionen, gepaart mit der Unfähigkeit seitens der Führungskräfte des Vereins, nach den bisherigen Verlusten weitere Gelder in den Club zu stecken, haben ein Überleben des Vereins unmöglich gemacht“, heißt es in der vom Club-Präsidenten Domingo Díaz de Mera Lozano unterzeichneten Erklärung.

„Das war absehbar, aber es ist auch sehr bitter. Das zeigt, dass die Situation in Spanien wirklich ernst ist. Der Handball verliert eine große Marke und einen Traditionsverein“, sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer des Bundesliga-Verbandes HBL.

CB Neptuno ist der Lizenznehmer des Vereins, der vor zwei Jahren als Ciudad Real unter das Dach des Namens- und Geldgebers Atlético de Madrid gezogen ist. Schon damals war von finanziellen Sorgen die Rede. Vor allem ein angeblich geschrumpftes Vermögen von Bau- und Immobilienunternehmer Díaz de Mera Lozano im Zusammenhang mit Spaniens Wirtschaftskrise wurde als Ursache dafür genannt. Der Präsident des Clubs war auch gleichzeitig der größte Geldgeber.

Es ist die zweite Pleite eines von Mäzenen geprägten europäischen Vorzeigeprojektes binnen zwölf Monaten. Vor Jahresfrist hatte Dänemarks Meister AG Kopenhagen nach einem kometenhaften Aufstieg Insolvenz angemeldet, nachdem Gründer und Besitzer Jesper Nielsen ausgestiegen war. Gemeinsam war Kopenhagen und Madrid: Nur das Beste war gut genug, die Teams hatten die Qualität von Weltauswahl-Mannschaften.

Die Folgen der Madrid-Pleite für die bevorstehende Saison sind noch nicht in vollem Umfang absehbar, hat aber Einfluss auf deutsche Clubs. In der Champions League sollte Madrid in einer Gruppe mit dem deutschen Meister THW Kiel spielen. Ein Nachrücker steht noch nicht fest. „Jetzt gibt es in Spanien praktisch nur noch einen Verein: Barcelona. Die spanische Liga löst sich mittlerweile in Wohlgefallen auf“, sagte THW-Manager Klaus Elwardt und wünscht sich Montpellier HB als Nachrücker: „Atlético war ein Name, der gezogen hat. Wenn Montpellier nachrückt, ist das zumindest genauso ein Zugpferd.“

„Aus Sicht der EHF ist es zu früh, über Auswirkungen zu spekulieren. Der erste Schritt ist, Klarheit über die Situation bei Madrid zu bekommen“, sagte Markus Glaser, Wettbewerbsmanager der Europäischen Handball-Föderation EHF, der Nachrichtenagentur dpa.

Für den HSV Hamburg zeichnet sich durch die Madrider Pleite eine womöglich günstige Verpflichtung ab. Denn Weltmeister Joan Cañellas, der 2014 zum Champions-League-Sieger wechseln sollte, könnte nun schon eher und ablösefrei kommen. „Durch diese Nachricht stehen wir natürlich vor einer veränderten Situation. Wir werden uns damit auseinandersetzen und stehen hier auch in engem Kontakt zu Joan Cañellas“, sagte HSV-Geschäftsführer Christoph Wendt.