Ägypten: Tiedemanns Erben sind jung und Fairplay-Letzter
Doha (dpa) - Ägyptens Handballer sind bei der WM in Katar eine der Überraschungen. Mit dem Achtelfinal-Einzug hatte angesichts der starken Konkurrenz in der Vorrundengruppe C mit Olympiasieger Frankreich, dem Olympia-Zweiten Schweden, Nachrücker Island und Tschechien kaum jemand gerechnet.
Doch das Team von Trainer Marwan Ragab ließ gleich zum Auftakt mit einem 34:20 gegen Afrikameister Algerien aufhorchen. Neben dem 27:24-Erfolg über Tschechien wurde in Doha vor allem das 25:25 gegen Schweden bestaunt.
„Ich habe gehört, dass Ägypten die beste Mannschaft seit 2001 hat“, sagte Bundestrainer Dagur Sigurdsson. Damals hatten die Nordafrikaner bei der WM in Frankreich sensationell das Halbfinale erreicht, dort aber gegen den Gastgeber und späteren Weltmeister verloren und schließlich Platz vier belegt. Danach aber war der Absturz gefolgt: Ägypten kam bei den sechs folgenden WM nicht mehr über den 14. Platz hinaus.
Begründet wurde Ägyptens Aufstieg in die Handball-Spitze vom Deutschen Paul Tiedemann. Der im Vorjahr verstorbene Olympiasieger-Trainer der DDR betreute die Nationalmannschaft von 1989 bis 1992. Unter seiner Leitung wurde das Team 1991 erstmals Afrikameister und feierte 1992 in Barcelona sein Olympia-Debüt. Auch unter Jörn-Uwe Lommel, jetzt Co-Trainer beim THW Kiel, wurde Ägypten 2004 Afrikameister.
Tiedemanns Erben setzen in Katar nun auf die Jugend. Mit 26,8 Jahren im Schnitt ist das Team nur knapp älter als die deutsche Mannschaft. Nach und nach rückt die Spielergeneration nach, die bei den Olympischen Jugendspielen 2010 in Singapur Gold gewann und 2014 in Nanjing Silber. Eines aber kann das heutige Team wie alle ägyptischen Mannschaften zuvor: Die Regeln bis zur Grenze des erlaubten nutzen - und manchmal auch darüber hinaus. Ägypten steht mit 74 Strafminuten in fünf Spielen an letzter Stelle der Fairplay-Liste.