Akku leer: Rekord-Meister Kiel bangt um 17. Titel
Kiel (dpa) - Tabellenführer HSV Hamburg sucht schon nach einem Standort für die mögliche erste Meisterschale, bei Handball- Rekordmeister THW Kiel herrscht ungewohnte Tristesse.
Mit fünf Punkten Rückstand auf den HSV ist der 17. Meistertitel und der siebte in Serie derzeit kein Thema für die Übermannschaft der vergangenen Jahre. Nach dem Heim-Remis gegen den VfL Gummersbach (26:26) gibt sich der THW keinen Illusionen hin. „Die Meisterschaft ist ganz weit weg. Wir sollten uns keine großen Hoffnungen mehr machen“, sagte Filip Jicha, mit 110 Toren bester Saisonschütze der Kieler.
Der Tscheche duldet aber keine Kapitulation: „Wir werden nicht aufhören zu kämpfen.“ Diese Einstellung findet die Zustimmung von Trainer Alfred Gislason, der am Spielfeldrand während der schwachen Partie seiner Mannschaft wild gestikulierend umhertobte. „Wir sind der THW und kämpfen bis in den Juni hinein“, beteuerte der Isländer. Wer die Entschlossenheit in seinen Augen sieht, glaubt ihm.
Die Kieler Aussetzer sind in erster Linie der personellen Notlage geschuldet. Konnten die Schleswig-Holsteiner in den Vorjahren Ausfälle wichtiger Spieler ohne Substanzverlust kompensieren, so haben sie jetzt Mühe, Spitzenniveau zu erzwingen. Die verletzten Nationalspieler Daniel Narcisse, Kim Andersson und Marcus Ahlm fehlen an allen Ecken und Enden. Am Montag erreichte die Mannschaft eine weitere Hiobsbotschaft: Rückraumspieler Christian Zeitz hat sich den rechten Mittelhandknochen gebrochen und fällt für die restlichen drei Partien in diesem Jahr aus.
Der vorhandene Ersatz tut sich schwer. Der noch von Ex-Manager Uwe Schwenker verpflichtete Kreisläufer Milutin Dragicevic wirkt zumeist wie ein Fremdkörper im Team und kann Ahlm nicht ersetzen. Nicht umsonst wurde Anfang Dezember in einer SOS-Aktion der Schwede Robert Arrhenius als Feuerwehrmann für sieben Monate verpflichtet.
Mit den personellen Problemen geht die mentale Verunsicherung einher. Niederlagen binnen 19 Tagen beim HSV (25:26), den Rhein- Neckar-Löwen (26:29) sowie beim FC Barcelona (29:32) in der Champions League sind beim THW eine völlig neue Erfahrung, mit der die Spieler nicht umgehen können. Jeder hat mit sich selbst zu kämpfen. Während der HSV von Sieg zu Sieg eilt und trotz des kräftezehrenden Mammutprogramms von der Euphorie getragen wird, lädt sich der Akku beim THW nach Niederlagen nicht mehr. Die Mannschaft, so haben Beobachter den Eindruck, ist ausgebrannt.
„Die Meisterschaft ist nicht entschieden. Kiel ist weiterhin ein Titelaspirant“, meinte Frank Bohmann jedoch. Der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga rät zudem, nicht den Tabellenzweiten Füchse Berlin aus den Augen zu verlieren. „Wer es lange nicht geglaubt hat, sieht sich eines Besseren belehrt: Auch sie stehen auf der Liste der Titelkandidaten.“ Bohmann sieht Vorzüge in der neuen Konstellation. „Die Spitze ist breiter geworden. Das freut uns.“