Wie ist unter den besonderen Umständen der Saison der zwölfte Platz des Bergischen HC in der Abschusstabelle zu beurteilen?
Handball-Interview BHC-Geschäftsführer: „Ich zweifle nicht mehr, dass eine Arena gebaut wird“
Interview | Wuppertal/Solingen · Jörg Föste, Geschäftsführer von Handball-Bundesligist Bergischer HC, zur abgelaufenen Saison, zur Hallensituation, zum Trainer und warum er überzeugt ist, dass das nächste Jahr für den BHC ein großes wird.
Dass die Handball-Bundesliga-Saison 2020/21 angesichts von Corona und auf 20 Teams aufgeblähter Liga am Sonntag regulär zu Ende ging, war zwar erhofft worden, allerdings keineswegs selbstverständlich. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Sport des Bergischen HC, Jörg Föste, über die alte Spielzeit, aber auch die Zukunft.
Jörg Föste: Tatsächlich ist der zwölfte Platz eine gute Platzierung. Wir haben vor der Spielzeit bereits reflektiert, dass das eine Saison werden kann, in der alles möglich ist, alle Verwerfungen, die man sich vorher nicht hätte vorstellen können. Daher war unsere erste Zielsetzung, gut in die Saison hineinzukommen. Das ist uns formidabel gelungen. Davon haben wir gezehrt und bis März eine herausragende Saison gespielt. Dann ist das eingetreten, was wir befürchtet haben. Die doppelte Quarantänezeit hat uns ein wenig den Stecker gezogen. Unter dem Strich sind die Leistung der Mannschaft und der zwölfte Platz, der letztlich herausgesprungen ist, sehr positiv.
Wie haben Sie Ihre Spieler nach dieser Mammutsaison in den Urlaub verabschiedet?
Jörg Föste (60) ist Gesellschafter und als ehrenamtlicher Geschäftsführer außerdem die treibende Kraft beim bergischen HC neben Philipp Tychy, der hauptamtlicher Geschäftsfphre ist und sich vor allem um das Marketing kümmert.
Föste: Wir haben gefeiert, zunächst mit der Mannschaft intern. Dann haben wir mit den Fans und Partnern im Garten der Stadthalle in Wuppertal eine Feier abgehalten, die sehr stimmungsvoll verlaufen ist. Die Mannschaft ist auch noch mal kurz für eine Stippvisite weggefahren, ist dann seit Mittwoch im Urlaub.
Sie selbst haben keinen Urlaub, kommen gerade aus dem Barmer Rathaus. Welche Nachricht bringen Sie von dort mit?
Föste: Mein Kollege Philipp Tychy und ich sind erstmals persönlich mit dem Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal zusammengetroffen. Vorher haben wir das über digitale Meetings bewerkstelligt. Wir haben natürlich im Wesentlichen über den Ausblick des Bergischen HC und die Standortsituation der Heimspielstätte gesprochen.
Sie hatten bei der Sponsorenveranstaltung bereits angedeutet, dass sie Fortschritte im Entgegenkommen der Städte Wuppertal und Solingen sehen. Gibt es da Konkreteres, etwa zu einem möglichen Hallenstandort?
Föste: Beide Oberbürgermeister sind sich einig, dass es zeitnah eine Lösung geben muss. Es wird im dritten Quartal eine Entscheidung darüber geben, ob in Wuppertal oder Solingen eine Arena gebaut wird. Dass sie gebaut wird, daran zweifle ich jetzt nicht mehr.
Ist der Standort Wicküler-Park noch im Rennen?
Föste: Das ist zunächst intern zu klären. Wir haben die Standorte mal verglichen. Es liegt dann auch an den Oberbürgermeistern, die Entscheidung zu verkünden, wir sind flankierend zur Stelle, wenn es darum geht, die Dinge nach vorne zu bringen.
Wie viele Standorte kommen denn infrage?
Föste: Ich kann so viel sagen: Es gibt einen favorisierten Standort in Solingen und einen in Wuppertal.
Würde so lange Düsseldorf als dritter Standort bleiben?
Föste: Tendenziell ja. Wir haben uns jetzt für die nächste Spielzeit wieder verständigt. Die Sportstadt Düsseldorf ist sehr interessiert daran, die Sportart Handball zu den Leistungssportarten zählen zu dürfen, die auf ihrem Terrain geboten werden. Wir haben perspektivisch die Europameisterschaft 2024, deren Auftaktspiel in der großen Arena in Düsseldorf stattfinden wird, mit einem möglichen Weltrekord an Zuschauern. Diese Perspektive macht deutlich, dass Düsseldorf sich im Bereich Handballsport stark engagiert, und wir gehen davon aus, dass das auch über 2022 hinaus noch der Fall sein wird.
Olympia steht vor der Tür. Gibt es neben Max Darj andere BHC-Spieler, die wir in Tokio sehen könnten?
Föste: Die Wahrscheinlichkeit ist klein. Wir haben ja die beiden deutschen Spieler Lukas Stutzke und David Schmidt, die es bis in den 28er-Kader geschafft haben. Da müsste aber viel passieren, weil ja Olympia nur mit einem Kernkader von 14 gespielt wird plus drei Reservespieler, die jetzt auch schon nominiert worden sind. Ich rechne nicht damit, dass beide noch berufen werden. Was den Norweger Tom Kare Nikolaisen betrifft: Er gehört noch nicht dazu, ihm gehört aber unzweifelhaft die Zukunft, spätestens wenn die arrivierten Kreisläufer Norwegens in den Ruhestand verabschiedet werden, gehört er sicher zum Kernkader.
Gilt das Gleiche für Zugang Simen Schönningsen?
Föste: Simen ist im erweiterten norwegischen Kader, spielt in der B-Nationalmannschaft eine gute Rolle. Linkshänder sind immer gefragt. Auch für ihn ist ein Weg auf internationalem Parkett vorgezeichnet. Tom Kare würde ich da aber noch weiter vorn sehen.
Vor eineinhalb Jahren haben Sie die Vertragsverlängerungen der Schweden Max Darj und Linus Arnesson als weiteren Entwicklungsschritt des BHC hervorgehoben. Ist es ein Rückschritt, wenn Darj 2022 nach Berlin geht und Trainer Sebastian Hinze zu den Rhein-Neckar Löwen?
Föste: Für den Bergischen HC ist es zunächst mal wichtig, dass beide erst 2022 wechseln. Das macht auch deutlich, dass der Stellenwert des BHC sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht hat. Dass solche Akteure auch während der Vertragslaufzeit gebunden bleiben, ist ein wesentlicher Faktor und auch ein wichtiges Signal an die Liga und international, dass wir sie nicht abgeben und auch keine Not haben. Das zweite ist: Es ist der Geist des BHC, der weitergetragen werden muss. Ich bin sehr, sehr sicher, dass dieser Geist über den Sommer 2022 hinaus Fortbestand haben wird. Wir haben ein sehr junges Team, das sehr entwicklungsfähig ist. Tom Kare habe ich genannt. Wir haben Yannick Fraatz auf Rechtsaußen, der sehr jung ist, Alexander Weck als Eigengewächs, Lukas Stutzke als sehr hoffnungsvollen Rückraumspieler, wir haben Tim Nothdurft für 2022 auf der linken Seite verpflichtet, haben Tom Bergner am Kreis, der großes Talent besitzt. Vor der Zukunft, ist uns nicht bange.
In der Fußball-Bundesliga gab es in dieser Saison gleich mehrere Beispiele, dass vorher angekündigte Trainerwechsel sich nicht unbedingt leistungsfördernd auf die Teams ausgewirkt haben, Stichwort Rose, Hütter, Nagelsmann. Fürchten sie nicht ähnliches?
Föste: Ich rechne mit dem Gegenteil. Zunächst einmal ist es so, dass Sebastian Hinze BHCer durch und durch ist. Er wird das nächste Jahr sehr positiv gestalten wollen. Die Mannschaft folgt ihm ohnehin. Ich bin sogar der Überzeugung, dass das nächste Jahr ein großes BHC-Jahr werden wird. Es wird das letzte Jahr von Sebastian, es wird das letzte Jahr von Max. Die Mannschaft ist eingespielt, ist auch aufgrund des Verlaufs der Spielzeit ein wenig angefressen, dass der Erfolgslauf gestoppt worden ist.
Trauen sie ihr sogar zu, in Richtung Europa zu gehen, so wie es zwischenzeitlich ja aussah?
Föste: Wir haben eine Mannschaft, die sehr wettbewerbsfähig ist. Wir haben viele Spiele dominiert, sehr deutlich gewonnen, zum ersten Mal in der Geschichte des Bergischen HC. Und die Spiele, die verloren gegangen sind, sind das bis zur zweiten Quarantäne sehr knapp. Das ist die Phase, die man auch werten kann und zeigt sehr deutlich, dass wir gefestigt sind, dass unsere Abläufe sich verbessert haben, dass unser Selbstverständnis gewachsen ist. Der Bergische HC ist weiter als vor einem Jahr.
Was kann man aus der schwierigen Endphase der alten Saison vielleicht doch an Positivem für die neue mitnehmen?
Föste: Gar nichts! Das war einfach verlorene Zeit. wir haben nicht trainieren können fünf Wochen lang. Wir haben uns in irgendeiner Weise mental fit halten müssen, was nur sehr eingeschränkt funktioniert hat. Wenn es irgendetwas Positives gibt, das man mitnimmt, dann vielleicht den Trotz, das in der neuen Saison einmal mehr beweisen zu wollen, auch durchziehen zu wollen bis zum letzten Spieltag.
Inwieweit rechnen Sie mit den Langzeitverletzten Yannick Fraatz und Maciej Majdzinski für die neue Saison?
Föste: Bei Yannick kann man eine Prognose abgeben, dass man schon zur Rückrunde durchaus wird auf ihn bauen können, bei Maciej lässt sich das noch nicht ganz absehen. Er hat ja zwei Knieoperationen hinter sich gebracht und ist noch in der Rehaphase in Polen bei seiner Familie.
Das Thema Zuschauer scheint trotz sinkender Inzidenzzahlen noch nicht ganz geklärt. Wie planen Sie da?
Föste: Was Einschränkungen angeht hinsichtlich Sars-Covid-19-Verordnung haben wir ja wirklich alles durch und das haben wir alles gelernt. Wir haben ohnehin im ersten Quartal die Einschränkung, dass wir unserer Trainingslager in Österreich aufgrund der Einreise-/Ausreise-Unsicherheit wieder nicht absolvieren können. Zum zweiten werden wir auch die Kontakte der Spieler in unseren Schulprojekten, in unseren Partnerprojekten wiederum einschränken müssen, werden auch einen Eingangstest haben zu Beginn der Vorbereitungszeit Ende Juli. All das ist schon Einschränkung genug. Wir wollen uns nicht an Spekulationen beteiligen, wie es im Herbst oder Winter werden könnte. Wir planen so, dass wir fest daran glauben, dass wir eine hohe Impfquote haben werden und damit auch relativ volle Hallen.
Wie fangen sie den Ausfall des Trainingslager auf?
Föste: Durch zwei Dinge. Erstens lässt sich jetzt einmal mehr deutlich sagen, dass unser Trainingszentrum ein Segen ist. Wir können ja jederzeit unsere Einheiten dort selbst vergeben. Darüber hinaus planen wir noch einen Kurztrip im Lande. Wir wissen aber noch nicht ganz genau, wohin es gehen wird.
Sie selbst machen keinen Urlaub, notgedrungen oder aus Überzeugung?
Föste: Es ist einfach zu viel zu tun. Manches erfordert auch Präsenz. das kann man nicht digital oder zwischen zwei Stadtbesuchen lösen. Jetzt ist noch Not am Mann, Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken. Dazu muss man hier sein.