#HandballEM Deutschlands Handball-Torwart Wolff: Große Klappe, viel dahinter
Deutschlands Handball-Torwart Andreas Wolff spielt sich beim EM-Sieg gegen Schweden in den Fokus. Am Mittwoch wartet Slowenien.
Breslau. An die Tage bei der Handball-WM in Katar vor einem Jahr denkt Andreas Wolff nicht gerne zurück. Während seine Kollegen damals den Wüstentrip genossen haben, litt der Profi von Handball-Erstligist HSG Wetzlar bitterlich. Als Torwart Nummer drei nur WM-Tourist zu sein, schmeckte dem Euskirchener nicht. Elfeinhalb Monate später ist alles anders.
Gestern stürzten sich alle auf den 1,98 Meter großen Schlussmann. Seit seinem Weltklasseauftritt am Montagabend beim 27:26-Zittersieg gegen Schweden ist der zukünftige Rückhalt des THW Kiel in aller Munde. Mit einer Seelenruhe beantwortet Wolff sämtliche Fragen. Er genießt die Aufmerksamkeit. Wohl auch, weil er es schon anders hatte.
„Ich bin doch nicht nach Katar mitgefahren, um Wasserkisten zu schleppen“, hat er damals in seinem Frust von sich gegeben. Ein Satz, mit dem er sich nicht nur Freunde gemacht hatte. Er sagt etwas über das Selbstbewusstsein von Wolff. Er steht dazu: „Das war meine ehrliche Meinung“, sagte er gestern in Breslau.
Trotzdem ist er zurückhaltender. Noch immer bezeichnet er sich als Nummer zwei. Forderungen, nach seinem starken Auftritt heute im letzten Vorrundenspiel gegen Slowenien in der Startformation zu stehen, kommen ihm nicht über die Lippen. Dass ihm diese Diplomatie von außen nahegelegt wurde, verneint er. „Wir Sportler leben von Authentizität. Wenn jemand mit meiner offenen Art nicht so klarkommt, kann ich das nicht ändern“, sagte der Hüne, der aber auch zugibt: „Ich weiß, dass ich manchmal zu viel plappere.“
Seine Karriere verläuft wie gemalt. Schritt für Schritt nach oben. Als Zehnjähriger besucht er bei der SG Ollheim/Strassfeld erstmals ein Handballtraining. Und stellt sich ins Tor. „Weil ich damals noch zu schüchtern war“, wie er mit einem Schmunzeln berichtet. Früh wird sein Talent sichtbar. Als Jugendnationalspieler kommt er in Kontakt mit dem TV Kirchzell, der damals ein Handballleistungszentrum aufbaut.
Wolff verlässt als 16-Jähriger die Heimat in der nördlichen Eifel und wechselt in den Norden von Bayern, macht dort sein Fachabitur und sammelt beim TV Großwallstadt erste Bundesliga-Erfahrung. Als Rohdiamant heuert er im Juli 2013 bei der HSG Wetzlar an. „Wir haben schon in den ersten Trainingseinheiten gesehen, welches Potenzial Andi besitzt“, erinnert sich Tobias Reichmann, sein damaliger Teamkollege.
Beinahe jeden Tag schuftet Wolff mit Torwarttrainer Jasmin Camdzic. „Das größte Geschenk, dass mir die HSG aber gemacht hat, war die Verpflichtung von José Hombrados.“ Mit dem spanischen Routinier baut Wolff schnell eine besondere Verbindung auf. Der Weltmeister von 2005 gibt all seine Erfahrungswerte an das Juwel weiter.
„Von ihm habe ich gelernt, im Spiel die Ruhe zu bewahren.“ Doch gerade mental, sagt Reichmann, könne sich Wolff noch weiterentwickeln. „Andi muss akzeptieren, dass man im Handball kein Spiel zu Null gewinnt. Er darf seine Energie nicht darauf verschwenden, sich über jeden Gegentreffer zu ärgern“, lautet der freundliche Ratschlag des Rechtsaußen.
Ab Sommer gehört Wolff dem THW Kiel. „Ich will mich auch international mit den Besten messen“, sagt er. Deswegen sei der Weggang aus Wetzlar „der absolut richtige Schritt“. Dass beim deutschen Rekordmeister mit Niklas Landin bereits ein überragender Torwart unter Vertrag steht, schreckt ihn nicht. „Ich gehe zum THW, um die Nummer eins zu werden“, sagt er gestern in Breslau. Seine forsche Art hat er also doch nicht zu Hause gelassen.
Deutschland — Slowenien, Mittwoch, 17.15 Uhr/ZDF