DHB-Frauen vor WM-Teilnahme - Jensen warnt vor Übermut

Hamburg (dpa) - Handball-Bundestrainer Heine Jensen würde seinen Mädchen am liebsten die Ohren zuhalten. Was der ukrainische Frauen-Nationalcoach Leonid Ratner erzählt, ist für den deutschen Trainer eine Märchenstunde von Rattenfängerformat.

„Wir dürfen nicht glauben, was er sagt“, sagt Jensen. Das DHB-Team hatte das Hinspiel um die WM-Qualifikation in Oldenburg überraschend deutlich mit 24:16 gegen die Ukraine gewonnen. Am Sonntag steht das Rückspiel in Kiew an. „Wir haben im Prinzip keine Chance“, analysiert Ratner und ergänzt: „Unsere WM-Chancen stehen bei 10:90.“ Wer nach beiden Spielen vorn liegt, darf im Dezember zur Weltmeisterschaft nach Serbien.

Die Ukraine, die die deutschen Frauen vor drei Jahren mit 33:23 deklassiert und aus dem EM-Turnier geworfen hatte, sei derzeit nur ein Torso, klagt Ratner. Die vier Top-Spielerinnen, die in Oldenburg nicht dabei waren, würden „auf jeden Fall“ auch im Rückspiel fehlen. Er müsse derzeit „alles nehmen, was zur Verfügung steht“, beteuert der 75-Jährige mit traurigem Blick. „Ich bin ein sehr alter Trainer, aber so viele Probleme wie derzeit habe ich noch nie erlebt.“

Jensen hat ein überzeugendes Mittel gegen Einlullversuche und Sorglosigkeit gefunden. „Ich will in Kiew gewinnen“, lautet sein Plan. „Das ist unser Auftrag. Das ist superwichtig für unsere Entwicklung.“ Zu Hause habe seine Mannschaft schon des öfteren gewachsenes Selbstvertrauen nachgewiesen. Das müsse sich auswärts fortsetzen. „Auch die WM ist auswärts“, begründet er.

Neun Tage Vorbereitung aufs Hinspiel, ein Tag Pause, fünf Tage Vorbereitung aufs Rückspiel - das intensive Training für „die beiden wichtigsten Spiele des Jahres“ birgt auch Gefahren. „Man lebt in einer kleinen Blase: Hotel, Essen, Training, Besprechung und wieder von vorn“, sagt Jensen. Seit der 36-jährige Däne vor gut zwei Jahren den Cheftrainerposten bei den Frauen übernommen hat, geht es voran. „Wir sind ein bisschen stabiler geworden“, meint er bescheiden. „Wir jagen die Konstanz. Selbst wenn wir einen Tiefpunkt erreichen, sind wir nicht so schlecht wie noch vor einigen Jahren.“

Eine besondere Situation ist das Rückspiel für Nadja Nadgornaja. Die deutsche Rückraumakteurin ist gebürtige Ukrainerin, siedelte früh nach Deutschland über. „Dass ich in Kiew geboren wurde ist eine Nebensache“, sagt die 1,84 Meter große Blondine vom Thüringer HC. „Es geht darum, in Kiew zu gewinnen.“ Ausblenden kann sie ihre persönliche Geschichte aber nicht. „Meine Oma wird da sein“, erzählt sie. Irgendwie ist die Torjägerin doch nervöser als sonst.