Großwallstadt vor erstem Bundesliga-Abstieg

Frankfurt/Main (dpa) - An Wunder glaubt Kurt Klühspies nicht. Deshalb wird die Handball-Legende des TV Großwallstadt am Samstag nicht live dabei sein, wenn die Mainfranken gegen Meister THW Kiel nach 44 Jahren erstmals Abschied aus der Bundesliga nehmen.

Nur ein Unentschieden gegen den Titelträger und eine gleichzeitige Heimniederlage des VfL Gummersbach gegen Absteiger TV Neuhausen würde den sechsmaligen deutschen Meister und vierfachen Europacupsieger noch vor dem bittersten Moment in der Vereinsgeschichte bewahren.

„Aber das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Klühspies in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa und betont: „Der Abstieg schmerzt schon, weil er nicht hätte sein müssen.“

Ähnlich ist die Gefühlslage bei Peter Meisinger, der einst an der Seite von Klühspies die goldene Ära des Vereins mitprägte. „Ich habe alles mitgemacht, als Spieler und Trainer. Das ist schon bitter“, sagt der Sportdirektor des TVG. Natürlich klammert er sich an den dünnen Strohhalm der Hoffnung, doch innerlich beschäftigt sich Meisinger längst mit dem Neuanfang in der 2. Liga.

„Ich glaube daran, dass es weitergeht. Das ist wichtig für den Verein und die ganze Region. Wenn der Handball hier wegbrechen würde, wäre das schlimm“, sagt der 58-Jährige.

Anfang des Jahres war der frühere Trainer dem Hilferuf seines Vereins gefolgt und hatte noch einmal Verantwortung übernommen. Schnell dämmerte es ihm, dass der Karren ganz tief im Dreck steckte. „Es hat sich gezeigt, dass hier vieles im Argen liegt. Der Verein hat in den vergangenen Jahren immer Probleme gehabt, sowohl sportlich als auch wirtschaftlich. Auch organisatorisch passt einiges nicht. Die Führung hat das aber nicht realisiert und ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, kritisiert Meisinger. Der Sportdirektor fordert daher: „Es muss ein Schnitt gemacht werden. Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“

Klühspies hat den schleichenden Niedergang des Vereins mit Sorge verfolgt, doch seine Warnungen wurden nicht gehört. „Wir haben die Lizenz zuletzt immer nur mit Auflagen bekommen. Der Bau des Nachwuchsleistungszentrums und des VIP-Raums waren eine große finanzielle Belastung. Dann wurde der eine oder andere Spieler falsch eingekauft und am Ende kam auch noch Verletzungspech dazu“, zählt er Gründe für die Misere auf.

Für ihn kommt der Abstieg daher nicht überraschend. „Ich habe schon zu Beginn der Saison gesagt, dass es vom Spielermaterial her nicht langt. Da wurde ich belächelt“, erzählt der Weltmeister von 1978. „Das Problem in der Region ist, dass sich viele große Unternehmen nicht im Handball engagieren. Dabei gibt es am Untermain nichts anderes.“

Mit Wehmut blickt Klühspies nach München, wo Uli Hoeneß vor einigen Jahren sein Faible für den Basketball entwickelte und die Bayern-Korbjäger dank der großzügigen finanziellen Unterstützung aus der zweiten Liga in die nationale Spitze stürmten. „Wenn wir einen Uli Hoeneß in der Nähe hätten, wäre es leichter. Aber in München weiß man gar nicht, wo Großwallstadt liegt“, sagt Klühspies. Dennoch hofft das Großwallstädter Urgestein, das in 456 Pflichtspielen 1532 Tore für den Verein erzielte, auf bessere Tage: „Vielleicht wirkt der Abstieg wie eine Auffrischung.“