Dramatisches Topspiel: THW wankt, stürzt aber nicht
Hamburg (dpa) - So ein ausgelassenes Siegertänzchen hatten Filip Jicha und Co. zuletzt beim Champions-League-Sieg aufgeführt. Ihr dramatisches Comeback im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga beim HSV Hamburg verblüffte selbst die erfolgsverwöhnte „Übermannschaft“ des THW Kiel.
Die Hamburger hatten den Rekordmeister lange am Rande der ersten Niederlage seit 18 Monaten, führten eine Viertelstunde vor Schluss vor ausverkauftem Haus mit fünf Toren, verloren nach einer packenden Schlussphase aber entkräftet noch mit 30:33 (15:12).
„Das ist sehr schmerzhaft, aber die Jungs haben begeisterten Handball gespielt“, sagte HSV-Coach Martin Schwalb, „es gibt nur wenige Mannschaften, die den THW so in Probleme bringen“. Es gibt aber auch nur wenige Mannschaften, die sich aus solch einer vermeintlich ausweglosen Situation noch befreien können. Kiel wankte gewaltig, am Ende siegte die überragende Mannschaft der vergangenen Saison dank ihrer unbändigen Willensstärke.
„Es wurde Zeit, dass wir mal wieder so ein Spiel gemacht und alle Reserven aus uns rausgeholt haben“, sagte Kiels Linksaußen Dominik Klein: „Es ist unsere Einstellung, dass wir immer an die Wende glauben. Wir haben viele Kraftreserven.“ Die Neuen um den Siebenmeterschützen Marko Vujin haben diese Einstellung noch nicht verinnerlicht, sollen sie aber schnell lernen. „Gerade für unsere Neuzugänge war es wichtig, so etwas zu erleben“, sagte der starke Tscheche Jicha, „dieses gute Gefühl nehmen wir jetzt in die Nationalmannschaftspause“.
Schwalb hatte seine dezimierte Mannschaft hervorragend eingestellt, die Abwehr brachte den THW zur Verzweiflung, doch am Ende fehlte die Kraft. Kiel konnte komplett durchwechseln, ohne dass es Qualitätsverluste gab. Beim HSV mussten die angeschlagenen Pascal Hens und Marcin Lijewski dagegen fast durchspielen. „Wir müssen tausend Prozent besser spielen, um mit einem Tor gegen Kiel zu gewinnen“, meinte Lijewski.
„Wir hatten Kiel im Sack, das darf einfach nicht passieren“, schimpfte der enttäuschte Nationalspieler Michael Kraus. „Am Ende war es Unvermögen, denn wir wussten doch, dass wir Probleme mit der Luft bekommen würden.“ Ein Abspielfehler reihte sich in der Schlussphase an den anderen, Kiel konnte acht Tore gutmachen.
Für Kiels Trainer Alfred Gislason war es ein eigenartiges Spitzenduell: „Es sah so aus, als würden wir nur mit halber Kraft spielen.“ Tatsächlich waren die hochmotivierten Hamburger einfach schwer zu überwinden. „Zum Schluss haben wir eine großartige Leistung und den großen Charakter der Mannschaft gezeigt.“
Dieses Mal ging es noch gut - eine so einwandfreie Saison wie im Vorjahr traut er seinem Team nicht mehr zu. Fünf, sechs Mannschaften würden um die Spitze der Handball-Bundesliga mitspielen, prophezeite der Isländer. „Mannschaften wie die Rhein-Neckar-Löwen werden auf lange Sicht Vorteile haben, weil sie keine Champions League spielen. Es wird sehr eng zugehen diese Saison, weil sie diese Extrabelastung nicht haben.“